Mittwoch, 4. August 2010

Was denken Syrer über ... Deutsche?

Einen Ausländer, noch dazu einen westlichen, erkennen Syrer einen halben Kilometer gegen den Wind. Nun gut, es ist tatsächlich nicht so schwer, auch ich kann meist sofort erkennen, ob jemand von hier ist oder nicht. Man merkt es - an der Kleidung, an der Frisur, an der Art sich zu unterhalten, sich umzusehen, sich zu bewegen. Unweigerlich die erste Frage, die einem dann gestellt wird, lautet: "Woher kommen Sie?" Interessant wären auch die Reaktionen auf andere Antworten wie "USA" oder "Türkei". Ich kann hier nur die Reaktionen auf die Antwort "Deutschland" wiedergeben, und die sind durchaus interessant.

"Hitler!"

Ach ja, der Gröfaz, kein Weg führt drumherum. Er ist Assoziation Nummer Eins bei Taxifahrern, Passanten, Verkäufern... Toller Kerl sagen sie, habe er doch dem Feind gezeigt, was eine Harke sei. Schön, dass die Syrer Deutschland mögen, aber muss es gerade deshalb sein? Oftmals ist die Reaktion verpackt in die Frage "Do you like Hitler?". Da hilft nur, unbeteiligt zu lächeln, aus dem Fenster zu starren oder flink das Thema zu wechseln. Sich auf eine Gröfaz-Diskussion einzulassen, verträgt kaum eine Hutschnur. Man wäre auch schneller als man "Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen" sagen kann, in eine Diskussion über den Themenkomplex Israel verwickelt, und den sollte man hier besser sowieso nicht öffentlich debattieren. Das Thema stets meidend, konnte ich einmal nicht ausweichen, da ein Cousin meines Mannes mich in die unerwünschte Diskussion jagte. Immerhin sparte er Israel in seiner Argumentation aus, aber wirklich besser wird es dadurch auch nicht. Sein Standpunkt in kurz und knackig: Deutschland sei heute eine der großartigsten Nationen der Welt, was es fast ausschließlich dem genialen Gröfaz zu verdanken habe. Keine nennenswerte Reaktion auf meinen Einwand, dass "obwohl" vielleicht ein geeigneterer Begriff wäre als "weil", um einen Zusammenhang herzustellen (mal abgesehen davon, dass ich schon die erste Hälfte seiner These bezweifle). Mein nächster Einwand: selbst wenn man seine These mal so gelten lasse,sei der Preis dafür jawohl nicht angemessen gewesen. Aber auch das wird nicht gelten gelassen, Tenor: So sei eben die Welt, Opfer seien notwendig. Von einem Angehörigen eines Volkes, dass selber die Last eines Völkermords trägt, hätte ich da irgendwie was anderes erwartet. Na wie auch immer, lass uns über deine neuen Vorhänge reden.

"Ost- oder Westdeutschland?"

Die Statistik ist nur gefühlt und beruht auf keinerlei quantitativer Datenbasis, aber diese Frage scheint mir die zweithäufigste Reaktion auf die Angabe, dass Deutschland mein Herkunftsland ist, wenn auch in großem Abstand zum unüberholbaren Gröfaz. Nun mag es für die Frage zweierlei Gründe geben: besonders in der Generation vor mir hat sich die Unterscheidung zwischen Ost- und Westdeutschland vermutlich so ins Gehirn eingebrannt, dass auch 20 Jahre nach der deutschen Einheit dieser Unterschied so relevant ist, dass diese Information sofort von einem Deutschen abgefragt wird. Kann ich mir irgendwie vorstellen, sollten die beiden Koreas irgendwann mal eins werden, würde das sicher auch nur schwer in meinen Schädel gehen. Andererseits dürften manche Frager tatsächlich nichts davon mitbekommen haben, dass es diesen Unterschied praktisch nicht mehr gibt. Vielleicht sollte ich ein Stückchen Berliner Mauer mit mir herumtragen, um ihnen dieses Stück verpasster Geschichte anschaulich zu machen?

"Mein Bruder/Neffe/Schwager/Onkel... lebt/studiert/arbeitet/wohnt... in Berlin/Hamburg/Stuttgart/Heilbronn..."

Schon in meinem Türkeiurlaub vor einigen Jahren hatte irgendwie jeder einen Verwandten in der Bundesrepublik vorzuweisen. Aber sooft wie auch die Syrer jemanden dort haben, müssten in Deutschland mindestens genausoviele Syrer wie Türken leben. Variiert wird diese Reaktion noch mit...

"Ich möchte in Deutschland leben/arbeiten/studieren/wohnen..."

Oft begleitet mit ein oder zwei Wörtern Deutsch, oder manchmal sogar etwas mehr, weil der Plan tatsächlich schon so weit fortgeschritten ist, dass die Person einen Deutschkurs besucht. Wer dann tatsächlich zum Studium nach Deutschland geht, hängt sich, falls er nicht auch zum Arbeiten dort bleibt, ein Schild vor seine Praxis oder Kanzlei oder schreibt es auf seine Visitenkarte: "in Deutschland studiert".

" 'Made in Germany' steht für Qualität"

Wenn das die Kanzlerin wüsste, wie hier über die deutsche Industrie gesprochen wird. Aber sogar Hippie-Touristenführer am Hindukusch teil(t)en offenbar diese Meinung. Sinngemäß wiedergegebenes Zitat eines Bekannten: "Wenn du zum Beispiel eine Autobatterie kaufen willst, und der Händler zeigt dir eine aus China und eine aus Deutschland, dann nimmst du die deutsche, auch wenn die dreimal soviel kostet, weil du weißt, dass du Qualität kaufst."

"Claudia Schiffer"

Bisher nur ein einziges Mal gehört, aber das ist doch auf jeden Fall eine bessere Assoziation als Hitler!

Negatives habe ich persönlich bisher nicht gehört, aber über dritte habe ich von einem Deutschlehrer gehört, der im Unterricht permanent schlecht über Land und Leute spricht - wir seien alles selbstsüchtige Einzelgänger, die nur an Essen und Sex denken und unser Geld für unsere Haustiere ausgeben anstatt es für hungrige Kinder in Südafrika zu spenden

Alles in allem sind wir hier aber sehr beliebt, wenn auch manchmal aus Gründen, bei denen man sich wünscht, sie trügen nicht dazu bei. Das hat man jetzt erst bei der WM gesehen: so viele Deutschlandfahnen und mitfiebernde syrische Fußballfans hätte ich hier wirklich nicht erwartet.

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