Samstag, 25. September 2010

Auf Hotelsuche

Durchgerüttelt von der Zugfahrt gilt es als Nächstes, ein Hotel zu finden. Zwar haben wir telefonisch schon ein paar Hotels aus dem Lonely Planet durchgeklingelt, um uns preislich ein wenig zu orientieren, aber in unserer Preisklasse guckt man sich das Zimmer besser auch nochmal an, bevor man es tatsächlich bucht. Nicht weit entfernt vom Bahnhof gibt es praktischerweise ein Viertel, in dem die Hotels wie eine Pilzkolonie Reih an Reih stehen. Nach einem Kaffee zum Aufwachen führt uns unser erster Versuch in ein Hotel, das 1200 SP pro Nacht für ein Doppelzimmer haben will, zwanzig Euro. Klingt annehmbar. Auch das Zimmer sieht nett aus, sauber, mit Balkon, Kühlschrank, Klimaanlage und eigenem Badezimmer. Aber erstmal wollen wir uns vergleichshalber noch ein paar andere Hotels in der Straße anschauen. Leider gibt es da nicht viel zu sehen, wie sich zeigen wird: das Hostel hat angeblich kein Zimmer frei (wahrscheinlich wollen sie nur Ausländer, ich hätte fragen müssen, nicht mein Mann), das nächste Hotel riecht schon auf dem Weg zum Zimmer so unangenehm, dass wir in das Zimmer selbst gar nicht erst reinschauen. Ein anderes Mal liegt das Zimmer so nah am Straßenlärm, dass an Schlaf nicht zu denken wäre. Das nächste Zimmer ist ganz hübsch, aber der Hotelier hat uns einfach mit dem Schlüssel hochgeschickt, ohne selbst mitzugehen, obwohl das Zimmer noch vermietet ist und Rucksäcke drin herumstehen. Wir sind so nett und nehmen nichts mit, aber dies Hotel fällt auch flach, wenn da jeder Hanswurst jederzeit in unser Zimmer spazieren kann.

Langsam erwacht die Stadt und die ersten Cafés machen auf. Da heißt es erstmal: Frühstückszeit! Mir wird nahegelegt, doch ganz dringend unbedingt Mammuniye zu probieren, das sei eine Spezialität aus Aleppo und ganz, ganz toll lecker. Bei solchen Ansagen bin ich ja immer skeptisch, meist führt das dazu, dass ich mir fünf Minuten den Mund mit Wasser ausspülen muss, um irgendeinen grauseligen Geschmack rauszubekommen. Aber diesmal ist tatsächlich was dran am Lobpreis. Zugegeben, es ist eine seltsame Kombination, und wohl nichts für jeden Tag, aber heute schmeckt es mir ausgesprochen gut. Mammuniye ist eine Art Couscous- oder Burghulbrei, bis zum Ohrenschlackern gezuckert und mit einem Klecks Sahne versehen, auch wenn das eine neumodische Spielerei sei. Damit man aber keinen Überzuckerungsanfall bekommt, wird zugleich ein Teller mit Mushallal-Käse, serviert, Käsefäden wie Spaghetti, ziemlich salzig. Einen Happen Brot mit süßem Getreidebrei, einen Happen Brot mit salzigem Käse, süß, salzig, süß, salzig... klingt bescheuert, ist aber sehr, sehr lecker!

Derart gestärkt, wollen wir unsere Hotelsuche beenden und kehren zurück zum allerersten Hotel, das wir ins Auge gefasst hatten. Das Gepäck wird ins Zimmer gebracht, mein Mann geht nur noch mal kurz nach unten, um den Papierkram zu regeln. Schon die erste Überraschung für mich: das Bad sieht sauber aus, aber nur solange man den Klodeckel zulässt. Pfuibah. Also erstmal aufs Bett werfen und ein bisschen von der Klimaanlage bepusten lassen. Aber da kommt schon wieder Männe zurück und meint, wir müssten erstmal zur Polizeistation, der Hotelier mag unsere Ehepapiere lieber mit einem Stempel von der Touristenpolizei, sicher ist sicher. Dass auch ja nicht der leiseste Zweifel besteht, in seinem Hotel könne sich etwas so Perverses abspielen wie ein Mann und eine Frau in einem Zimmer (in zwei Einzelbetten), ohne den Segen des Allerhöchsten. "Können wir nicht wenigstens erstmal fünfzehn Minuten die Füße hochlegen?" - "Hab ich ihn auch gefragt, aber er meinte, die sei ja gleich um die Ecke, das könnten wir ja schnell erledigen." Seufz, also Schuhe wieder an, Körper in vertikale Position und weiter geht's. Beim Hinausgehen auf den Zustand der Toilette angesprochen motzt der zuständige Bursche nur herum, er habe ja alles saubergemacht, das könne ja gar nicht sein. Der Hotelier schnauzt ihn aber entsprechend an, so dass er sich ans Werk macht. Über den Weg traue ich dem Bub trotzdem keinen Meter, gut, dass ich einen Packen Sagrotantücher dabei habe.

Der aus dem Schlaf geklingelte Polizist hört sich unser Anliegen an, wird aber kaum richtig wach dabei, der braucht ne ganze Kanne Kaffee, intravenös, sofort. Jedenfalls meint er, die Papiere sind alle in bester Ordnung, kirchliche Eheurkunde, Bearbeitungsnummer der behördlichen Papiere, Reisepässe, Familienbuch, Wohnortbescheinigung, Mietvertrag, wir haben alles dabei, was man sich vorstellen kann. Ob er denn "in bester Ordnung" bitte durch einen Stempel bestätigen möge? Ach was, die Papiere sind ja ok, wenn das dem Hotelier nicht gefällt, soll er ihn persönlich anrufen. Ich glaube, herauszuhören, dass die beiden sich kennen, und diese Bekanntschaft nicht unbedingt freundschaftliche Wurzeln geschlagen hat. Also wieder auf den Weg zurück. Aber halt, im gleichen Gebäude wie die Polizei ist ja auch noch ein Hotel. Da kann man ja mal kurz gucken. Das sieht ja auch alles ganz anständig aus, kostet 200 SP weniger pro Nacht, das Klo ist sauber, die Polizei ist gleich in Reichweite, nur einen Balkon hat es hier nicht. Aber der ist nun auch nicht so essenziell.

Zurück im vorigen Hotel bemühe ich mich sehr, ein fürchterlich betrübtes Gesicht zu machen, während mein Mann dem Hotelier erzählt, dass der Polizist uns keinen Stempel geben konnte, weil die Papiere ohne behördliche Bescheinigung so nicht ok seien, und wir dann eben bei Bekannten unterkommen müssten. Ich bin gespannt, was bei dem Hotelier überwiegt, der Wunsch nach ordentlichen Papieren, oder der Wunsch, zahlende Kunden zu behalten. Er lässt uns denn aber tatsächlich ziehen, ohne irgendwelche Tricks zu erfinden, warum wir doch bleiben können. Ich glaube ja sowieso, dass er uns nicht da haben wollte. Ob er nun keine Ausländer mag, oder keine Christen, oder einfach nur unsere Nasen nicht, aber irgendwas mochte er jedenfalls nicht. Mir wurscht, wir ziehen ins andere Hotel, legen endlich unsere Füße hoch und entspannen uns ein bisschen. Mehr als ein halbes Stündchen ist uns leider nicht vergönnt, dann stehen die ersten Verwandtschafts-Kaffeetrink-Besuche an, denen man nicht entgehen kann...

Die Aleppo-Ennealogie
Aleppo. Die Touri-Tour II
Aleppinische Taxen
Aleppo. Die Touri-Tour I
Eine syrische Braut II
Eine syrische Braut I
Ein merkwürdiger Besuch
Aleppinische Wasserspiele
Eine Zugfahrt, die ist lustig

Das bizzelt

Brotzeit: Ein Sandwich mit Wurst und Paprika. Eigentlich gibt's ja meistens grüne Paprika, aber diesmal haben wir nur rote - weil ich auf den Einkaufszettel nur "rote Paprika" geschrieben und das "Gewürz" vergessen habe, das ich eigentlich haben wollte, hat unser 'Junge für alles' eben genau das mitgebracht: rote Paprika. Haben wir auch schon mehrmals von gegessen und sie war sehr lecker, schön süß. Diesmal aber schiebt mein Mann die Paprika beiseite und meint: "Viel zu scharf!". "Hm", mache ich, und kratze mich an der Nase. Denken tue ich: Der stellt sich wieder an, bisher war die ihm auch nicht zu scharf, und überhaupt, mehr als ein Scoville kann er ja sowieso nicht ab ohne zu jammern. Meine Nase fühlt sich ein bisschen komisch an, also kratze ich sie grad nochmal. Langsam breitet sich ein seltsames Gefühl unterhalb meiner Nasenflügel aus, was ist denn da nur los? In den nächsten zehn Sekunden verwandelt sich dieses undefinierbare Gefühl in ein höllisches Brennen und mein Mann guckt mich an, als wäre mir der Beelzebub in die Glieder gefahren, als ich aufspringe und schwer atmend zum Waschbecken stürze. Ich hab's kapiert: diese Paprika war tatsächlich anders als die anderen, da hat sich ein Exemplar in die Einkaufstüte verirrt, das lieber eine Peperoni geworden wäre. Und diese feurige Essenz, die ja noch an meinen Hände bappt, habe ich gerade intensiv auf dem empfindlichen Stückchen Haut zwischen Nase und Oberlippe verrieben.

Aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaahhhhhhhhhhhhhhhh!

Wasser hilft natürlich überhaupt nicht und so versuche ich mich erst mit einer Anti-Sonnenbrandcreme, weil mir grad nichts besseres einfällt, aber auch das lindert das Brennen mitten in meinem Gesicht kein bisschen. Als nächstes kommt Olivenöl dran, Schärfe ist ja fettlöslich und nicht wasserlöslich, das ist mir inzwischen wieder eingefallen. Es wird zwar besser aber nur marginal. Die nächsten Viertelstunde habe ich also Olivenöl unter der Nase und presse außerdem einen in ein Küchentuch gewickelten Eiswürfel gegen den Brandherd. Mein einziger Trost ist, dass es, wenn es erstmal vorüber ist, eine gute Anekdote abgeben wird. Anekdoten zeichnen sich ja oftmals dadurch aus, dass sie zum Zeitpunkt des Entstehens überhaupt nicht lustig waren. Mein Mann tröstet mich, indem er mich daran erinnert, dass es noch ungünstigere Stellen gegeben hätte, sich zu kratzen. Das sei ihm als kleiner Junge tatsächlich mal passiert, als er der Mutter in der Küche geholfen hat, Paprikapaste herzustellen und dann auf Toilette gehen musste. Noch so eine Anekdote, die er an jenem Tage bestimmt alles andere als lustig gefunden hatte...

Es ging dann irgendwann wieder, aber die restlichen Paprika werde ich behandeln, als wären sie biologische Kampfstoffe, mit Handschuhen und Schutzbrille!

Watching The Wheels

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