Montag, 19. Juli 2010

Pressfreiheit

Ich erinnere mich vage, im Oberstufengeschichtsunterricht mal eine Karikatur gesehen zu haben mit dem Titel "Pressfreiheit". Wenn ich mich richtig erinnere - und ich weiß nicht ob ich das tue, finden kann ich das Bild auf die Schnelle nicht im Internet - dann zeigte das Bild eine Druckerei oder Ähnliches, und nicht Zeitungen wurden gedruckt, sondern Angestellte gerieten in/unter die Presse. So oder so ähnlich, die Aussage jedenfalls war klar: nicht Pressefreiheit ist das Motto des Staates (Deutschland, welche Zeit genau, das ist auch aus meinem Gedächtnis entschwunden, evtl. rund um 1848), sondern Pressfreiheit, die Freiheit, Druck auf Medienschaffende aller Art auszuüben.

Warum ich mich daran erinnere? Anlass ist der aktuelle Bericht der Organisation Reporter Ohne Grenzen, erschienen zum zehnjährigen Amtsjubiläum unseres geliebten Präsidenten. Im (englischen) Wortlaut nachzulesen hier, eine (deutsche) Zusammenfassung gibt es hier.

Nun kann ich wenig über die Arbeitsbedingungen von Journalisten referieren, und (hoffentlich) auch nicht über die Verfolgung von kritischen Bloggern, aber ein paar Dinge kann ich aus meiner Sicht bestätigen und ergänzen. Da ist zum einen die aufgeführte staatliche Kontrolle der Inhalte von Publikationen, sowohl staatlicher als auch privater. Das kann ich soweit nur unterschreiben. Die arabischen Zeitungen zu lesen fällt zu schwer, um ein profundes Urteil abgeben zu können, aber die Zeitung "al-Balad", die auch auf englisch erscheint, glänzt mehr durch Hofberichterstattung und dementsprechend spröde liest sie sich auch. Reisen des Präsidenten, gegenseitige Besuche irgendwelcher Minister, Konferenzen hier und dort, alles im Stakkatostil ohne irgendwelche eigenen nennenswerten journalistischen Ergänzungen. Dann gibt es das ebenfalls englischsprachige, nicht-staatliche Magazin "Syria Today" (Alle Ausgaben sind auch online abrufbar), das allemal interessanter und provokativer ist, aber dennoch letzten Endes der staatlichen Kontrolle unterliegt. Eine Ausgabe im letzten Jahr titelte mit dem Aufmacher "Social Taboos", und berichtete unter anderem über voreheliche Beziehungen und Homosexualität. Das verwundert, und ist vielleicht tatsächlich ein wenig überraschend. Immerhin durfte das Magazin benennen, dass es diese - Phänomene - gibt, auch in Syrien. Auch fand keine pauschale Verdammung statt, man hielt sich mit persönlichen Stellungnahmen jeglicher Art zurück. Ansonsten wäre das - zwischenzeitlich auch schon mal eingestellte - Magazin damit sicher auch nicht bis an die Kioske gekommen.

Die Internetfeindlichkeit des Regimes lässt sich ebenfalls klar bestätigen, zahlreiche Internetseiten sind gesperrt, beim Besuch eines Internetcafés muss der Ausweis vorgelegt werden. Andererseits ist es immerhin möglich, überhaupt einen - auch privaten - Internetanschluss zu bekommen, was erst unter dem neuen Präsidenten eingeführt wurde. Die Sperren zu umgehen ist außerordentlich einfach und gehört vermutlich nach der Bedienung des Einschaltknopfes und der Maus zu den ersten Dingen, die ein jeder Syrer lernt. Ich vermute, dass dies aber vorwiegend deshalb toleriert wird, weil viele Syrer dies nur tun, um auf all die Social networks zu gelangen und sich dort mit spielen, daten und chatten die Zeit zu vertreiben. Wer am daddeln ist, befasst sich nicht mit politischen Kontroversen. Ungleich gefährlicher dürfte es sein, sich beispielsweise über das Internet mit oppositionellen Gruppen vernetzen zu wollen.

Ein Fazit: Den Bericht der ROG kann ich so nur unterschreiben. Hoffnung auf Besserung - woher? Eher könnte es schlimmer werden, wenn das Regime mal mit echten Computerexperten arbeitet, anstatt seine schlecht ausgebildeten Vetternwirtschafter herumklicken zu lassen. Solange alle internationalen politischen Größen dem Löwen* hofieren, anstatt selber Zähne zu zeigen, wird sich sicher nichts ändern.

arab. assad = Löwe

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