Sonntag, 5. Dezember 2010
Ghada Samman - Mit dem Taxi nach Beirut
In diesem Büchlein schreibt Frau Samman über den Zug gen Libanon, eine Erscheinung Anfang der siebziger Jahre, als jeder nach Beirut wollte, um entweder dort reich und berühmt zu werden, oder sich von dort in andere heilsversprechende Teile der Erde - vorrangig Amerika natürlich - abzusetzen, um dort das gleiche Ziel zu verfolgen. Ein Grüppchen dieser Glückssucher, das mit einem Taxi nach Beirut reist, verfolgt der Leser bei ihren Bemühungen auf dem Weg zum erfolgreichen Leben. Leider geht für alle so ziemlich alles in die Hose, und so ist auch die Stimmung des Buches außerordentlich bedrückend - wie gut, dass es nur ein kurzes Buch ist. Eine verstrickt sich in eine Affäre und kommt nicht von ihrem Liebhaber weg, einer sucht sein Glück im Showbusiness, das hier noch viel verkommener ist, als man schon von Anfang an befürchtet. Charaktertiefe kommt bei so wenig Seiten - 140 - und doch gleich fünf Personen, denen wir auf ihren Wegen folgen, nicht vor, aber es geht auch weniger um individuelle Charaktere sondern vielmehr um beliebige Schicksale, die sich so immer wieder abspielen könnten. Eigentlich gefiel mir das Buch zunächst ganz gut, doch der Absturz des Jungen im Showbusiness verliert leider völlig an Struktur, Erzählform, ganzen Sätzen, das mutet schon sehr kafkaesk an. Man mag einwenden, dass dies den Geisteszustand des Protagonisten recht gut widerspiegelt, aber angenehmer zu lesen wird das letzte Viertel oder Fünftel dadurch auch nicht.
Dennoch würde mich der Folgeband - Alptraum in Beirut - mit dem einbrechenden Bürgerkrieg als Hintergrund interessieren, aber den bekommt man hier leider nicht. Alles in allem: 3 Sterne
Außerdem neulich gelesen: E.T.A. Hoffmann - Lebensansichten des Katers Murr. Netter Gegensatz zum Goethe'schen Entwicklungsroman, 4 Sterne.
Hermann Bausinger - Typisch Deutsch. Schnell durch, da nichtssagend. 2 Sterne.