Mittwoch, 15. September 2010

Die hohe Kunst des Narjile-Rauchens

Ich verbringe jetzt regelmäßig meine Abende damit, vor der Wohnungstür zu sitzen, ein Buch zu lesen und eine Narjile (Wasserpfeife) zu rauchen. Ich hoffe, dass das noch eine Weile so weitergehen kann, denn die Temperaturen erreichen zwar tagsüber immer noch 30 Grad und mehr, aber nachts wird es so langsam schon etwas kühler. Meine Hausschuhe, die nach einem Ausrutschunfall auf der Treppe recht lädiert waren, habe ich in Flipflops umgearbeitet und jetzt hab ich kalte Füße...

Das Narjile-Rauchen aber, das ist eine hochkomplizierte Angelegenheit, man müsste Ausbildungen dafür anbieten, zehn Jahre, so wie angeblich für's Kugelfisch-Zubereiten (wobei die Narjile eventuell weniger gefährlich ist). Ich selbst bin da noch blutiger Laie. Dennoch sei hier alles, von dem ich weiß, dass man es beachten muss, erwähnt.

Die Narjile selbst besteht aus einem vasenartigen Glasgefäß, einem Aufsatz mit Rohr, in das oben der 'Kopf', der tönerne Tabakbehälter aufgesetzt wird. Darum befindet sich noch eine Aschen-Auffangschale, man kann außerdem einen Windschutz über den 'Kopf' stülpen bei Bedarf. Seitlich des Rohrs befindet sich eine Öffnung in die der Schlauch gesteckt wird, an dessen Ende sich das Mundstück befindet. Narjiles gibt es in kleinen, großen, schlichten, prunkvollen, sprich allen möglichen Ausführungen zu kaufen. Es gibt auch Gemeinschafts-Narjiles, in die mehrere Schläuche hineinpassen. Wie man beim Narjile-Kauf Qualitätsunterschiede erkennt und welche Eigenschaften sich überhaupt positiv oder negativ auf das Rauchen an sich auswirken weiß ich nicht, da müsste man sich mal vom Profi beraten lassen. Narjile ist übrigens hocharabisch, oft wird sie in Syrien auch "Argile" genannt.

Will man nun der Narjile-Schmaucherei frönen, braucht man als nächstes Tabak, hier "Mu'assal" (Honig) genannt. DIe klassische Geschmacksrichtung ist Doppelapfel. Warum doppelt? Marketingstrategie würde ich sagen. Ein Markt ist ja auch nicht einfach ein Markt, sondern stets ein Supermarkt. Und der Apfeltabak ist eben immer Doppelapfeltabak ("Tuffahatain"). Aber es gibt alle erdenklichen Geschmacksrichtungen, Traube, Kirsche, Multifrucht, Kaugummi etc. Nach einigem Rumprobieren bin ich dann doch immer wieder zum zweifachen Apfel zurückgekehrt (das ist außerdem auch der Günstigste..). Der Tabak ist klebrig-nass, und darf meines Wissens wegen seiner hohen Feuchtigkeit so nicht in Deutschland eingeführt werden, weshalb es dort extra Feuchtigkeitsmittel zu kaufen gibt, um das wieder auszugleichen. Den Tabak lockert man mit den Fingern auf und gibt ihn in den 'Kopf'. Ein flacher Kopf, soviel steht aus Erfahrung fest, produziert mehr Rauch und braucht weniger Feuer, kratzt dafür aber auch mehr im Hals, eine der unangenehmen Begleiterscheinungen, die es durch kunstvolle Narjile-Zubereitung zu umgehen gilt. Ein tieferer Kopf produziert weniger dichten Rauch und man muss stärker ziehen, dafür kratzt es eben weniger. Ich habe mich für diese Variante entschieden. Der Tabak wird dann in seinem Gefängnis, in dem sein Verbrennungsschicksal schon feststeht, mittels Alufolie eingesperrt. Es gibt zurechtgeschnittene Stücke zu kaufen, aber das kann man natürlich auch selbst machen. Wichtig ist, dass die Folie seitlich gut angedrückt wird und keine Luft von der Seite eindringen kann. Die Folie wird dann mit einer Nadel eingestochen, viele kleine Löchlein, in die Mitte kommt nur ein etwas größeres Loch und drumherum bleibt ein kleiner Radius frei. So soll verhindert werden, dass der Tabak zu heiß wird und zu schnell verbrennt. Entweder hat man nun eine Plastikdichtung oder man wickelt ein Stück nasses Papiertaschentuch um den unteren Teil des 'Kopfes', so kann man ihn lückenlos in die Narjile stecken und es kommt auch von dort keine Luft in das Gebilde. Ebenso müssen das Rohr auf dem Glasgefäß und der Schlauch am Rohr befestigt werden. Das Glasgefäß füllt man vor dem Zusammenbau mit frischem Wasser, etwa bis zur Verengung des Halses hin. Manch einer schüttet auch noch Raki dazu, das ergibt einen sehr speziellen Geschmack, aber auch sehr spezielle Kopfschmerzen. Den Schlauch spült man zunächst mit Wasser durch. Die Syrer machen das eher nicht so, die benutzen das gleiche Wasser und den ungeputzten Schlauch wochenlang, aber ich finde, die Narjile schmeckt besser, wenn man das alles sauber hält. Dann bekommt man auch nicht aus Versehen Tabak-oder Aschekrümel in die Luftwege.

Die Narjile ist jetzt fertig vorbereitet, was noch fehlt ist die Kohle. In Deutschland gibt es so Kohle-Plättchen zu kaufen, die man auf den Tabakkopf legen kann, aber die fand ich schon immer unpraktisch. Brennen schlecht, obwohl sie gerade das besser können sollen, und lassen die Mitte nicht frei. Hier in Syrien gibt es Kohle immer in Päckchen mit fünf oder sechs Riegeln für fünfzehn bis zwanzig Pfund zu kaufen. Einen Riegel legt man auf den Gaskocher bis er ordentlich glüht, ein oder zwei weitere werden nur kurz von der Flamme geküsst, die glühen sich mit der Zeit (also bis man sie braucht) schon selbst durch. Mit einer Zange befördert man die Kohle in ein geeignetes Gefäß (Zange und geeignete Metallschale gibt es meist mit der Narjile zu kaufen) und stellt diese neben die Narjile. Das glühende Kohlestück wird in etwa drei Stücke geteit (wenn man draußen raucht, ist auf-den-Boden-fallen-lassen eine einfache und übliche Variante) und diese Stücke auf den Tabakkopf gelegt, dabei wird die Mitte ausgespart, dort soll nichts brennen. Nach ein paar Mal kräftig ansaugen (für Gemeinschaftsnarjiles gibt es übrigens auch hygienische Einwegmundstücke) sollte die Narjile jetzt gut funktionieren. Wenn sie zu stark ist, kann man ein Kohlestück vorläufig wieder runternehmen. Die optimale Kohlemenge- und Verteilung ist eines dieser Rätsel, das man vermutlich erst im siebten Ausbildungsjahr lösen kann. Jedenfalls wird man immer wieder beschäftigt sein, die Kohle von der Asche zu befreien und neue Kohle aufzulegen.

Eine unangenehme Eigenschaft der Narjile neben kratzigen Hälsen ist es, dass sie manchmal Kopfschmerzen und Schwindel hervorrufen kann, mitunter sogar recht heftige Schwindelanfälle. Woran das liegt weiß ich nicht, es passiert auch nicht allzu oft. In diesem Falle sollte man natürlich sofort die Narjile stehen lassen und sich selbst eine Weile hinlegen, dann geht es für gewöhnlich nach einigen Minuten von ganz allein besser. Die Narjile bleibt für diesen Abend natürlich unberührt! Wenn man, wie ich neulich, leichten Schwindel einfach ignoriert (man sitzt ja grad, es stört ja nicht...) und munter weiterraucht, dann wird man für solch eine Dummheit natürlich auch gebührend bestraft: starker Schwindel, Kopfschmerzen, dröhnendes Ohrensausen. Pfui.

Aber mit diesen letzten Zeilen sei niemand abgehalten, den Rauch zu genießen und das eigene sowie anderer Leute Gesicht mit obstduftigen Nebelschwaden verzieren, ganz wie die blaue Raupe Absolem in Alice im Wunderland.

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