Cornelia Filter - Mein Gott ist jetzt Allah...
...und ich befolge seine Gesetze gern.
Eine Reportage über Konvertiten in Deutschland
Zunächst einmal ist es natürlich meine Schuld, dass ich mir den Klappentext nicht ordentlich durchgelesen habe und das Buch auf gut Glück aus der Bibliothek mitgenommen habe. Meine Erwartung einer wissenschaftlichen Herangehensweise revidierte ich dann bereits, als ich daheim mich doch dem Klappentext widmete. Nichts gegen Feminismus, tolle Sache, wichtig, aber einer Emma-Autorin traue ich bei dem Thema Islam keine großartigen Würfe zu, das mag mit Alice Schwarzer zusammenhängen, die früher vielleicht auch mal toll und wichtig war, aber in der Gegenwart eigentlich nur noch peinlich ist. Nun, mit nach unten korrigierten Erwartungen gehe ich also an die Lektüre. Es wird dann nicht ganz so schlimm, wie ich befürchtet habe, aber auch nicht besonders doll.
Schon im Vorwort macht Frau Filter klar, dass sie zu Beginn der Recherche eigentlich alle KonvertitInnen für IslamistInnen hält, nun, man kann das notfalls noch positiv drehen und ehrlich nennen. Kurz zusammengefasst, enthält das Buch Interviews mit Konvertitinnen verschiedener Konfessionen und Strömungen (dass es eigentlich fast nur um Frauen geht, hätte Frau Filter als Feministin ja auch mit einem -Innen im Titel deutlich machen können, oder?), dazu ein paar Basisinformationen über den Islam plus eine Menge nichtssagende Seitenfülltexte. Die größten Schnitzer, die das Buch meines Erachtens enthält sind folgende:
- Mangelnde Expertise
Zwar hat die Autorin sich durchaus Mühe gegeben, sich in das Thema einzuarbeiten und zitiert ausgiebig aus 'Standardwerken' wie "Der Islam in der Gegenwart" oder "Muslime in Deutschland", um Basisinformationen über den Islam zu geben. Daraus kann man aber auch schließen, dass das Buch sich an ein wenig vorinformiertes Publikum richtet, und in dem Fall finde ich es nicht die beste Vorgehensweise, die Interviews weitgehend unkommentiert für sich stehen zu lassen, da hätte man doch mal jemanden mit mehr Ahnung als Co-Autor verpflichten können, der diverse Aussagen in ihren Kontext einordnen kann. Ganz besonders schmerzhaft wird es, wenn die offen vorurteilsbeladene Autorin auch noch die diffamierenden Behauptungen der islamophoben Szene nachplappert: Taqiyya, also sich zu verstellen, sei dem Muslim erlaubt, wenn es dem Islam dient (S.243). Das tut mir ja fast schon körperlich weh.
- Tendenziöse Interviews
Na klar, sie ist Feministin, aber das Buch erhebt den Anspruch, eine Reportage über Konvertiten in Deutschland zu sein, und nicht eine Reportage über Konvertitinnen, Feminismus im Islam und die leidige Kopftuchfrage. Es ist dann aber letzteres. Die Interviews hangeln sich vorwiegend daran entlang, wie eine Frau denn bloß zum Islam übertreten könne (da könne ja nur ein dominanter muslimischer Ehemann dahinterstecken), und dann auch noch das Kopftuch tragen (scheinbar das stoffgewordene Symbol für alles, was Frauen Schlechtes auf der Welt passiert). Kommt eine Frau mal frei ins Reden, wird sie gleich wieder unterbrochen und auf den nächsten Punkt des Fragebogens geschubst, den Frau Filter im Kopf abzuhaken scheint, meist das genaue Datum der Konversion, als wenn das wann wichtiger wäre als das warum.
- Stil: Setzen, Sechs.
Also ehrlich, wenn ich ein Buch parallel mit der dazugehörenden Recherche schreibe, dann lese ich da am Ende doch nochmal drüber. Gefühlte siebenunddreißig Passagen über die Abfahrts- und Ankunftszeiten von Zügen und anderes, was offenbar aus Langeweile während irgendeiner Wartezeit im Laptop verewigt wurde, das flöge dabei dann ganz sicher wieder raus. Nicht so bei Frau Filter. Aber dafür können Sie am Ende die Zugabfahrtszeiten im Bielefelder Bahnhof auswendig!
Ein Fazit ziehend, würde ich sagen, dass das Buch mehr über die Schwierigkeiten von Feministinnen mit dem Islam aussagt, als es das Wissen um KonvertitInnen in Deutschland vermehrt. Zwei Sterne gibt es trotzdem noch, einen für die ansatzweise vorhandene Fähigkeit von Frau Pieper, eigene Vorurteile zu hinterfragen (aber auch nur manchmal), und einen für die Interviews, die eigentlich ganz interessant sind, und bestimmt noch viel interessanter wären, wenn man den Leuten nur mal die Chance gegeben hätte, in Ruhe zu erzählen, ohne sie unterbrechend in eine bestimmte Richtung zu schubsen.
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