Sonntag, 25. Juli 2010

Uriges Kneipchen

Viel vom "Nachtleben" habe ich mir in Damaskus bislang nicht angesehen. Es gibt ein paar Clubs, aber die Musik ist bescheiden und der Eintritt überteuert (500 - 1000 SP). Da habe ich bisher lieber ein Bierchen zu Hause gezischt. Eine größtenteils von Touristen und Studenten bevölkerte Bar in der geschichtsträchtigen "Geraden Straße", welche Bab Sharqi und den Suq Hammidiye verbindet, hat zumindest eine anständige Getränkeauswahl. Die Musik ist auch hier nicht so dolle, aber immerhin auch nicht so laut. Charme hat der Laden nicht wirklich, aber bei eingeschränkter Auswahl muss man eben etwas bescheiden sein. Als ich diese Bar neulich wieder einmal aufsuchen wollte, wurden wir hinauskomplimentiert, es sei eine "Privatveranstaltung" heute. Seltsam, dass wir dann zunächst hineingelassen wurden, und die vereinzelt beisammen sitzenden Grüppchen sahen auch nicht so aus, als hätten sie irgendetwas miteinander zu tun. Nun, dann eben nicht.

So wandern wir weiter die Gerade Straße entlang, als mein Blick in ein kleines Lädchen fällt, hätten nicht ein paar Raucher vor der Tür gestanden, hätte ich es sicher übersehen, so winzig ist es. Drei Tische, ein Tresen, alles auf ein paar Quadratmeter gequetscht. Der Wirt macht schnell einen Tisch für uns frei, die dort Sitzenden waren wohl keine zahlenden Gäste, sondern Bekannte von ihm. Was soll ich sagen? Ich bin froh, dass man uns aus der anderen Bar hinausgeworfen hat. Diese Kneipe ist so schnuckelig, richtig urig, die packe ich in meinen Koffer und bringe sie mit nach Deutschland. Tische aus knorrigem dunklen Holz, die Wände behängt mit allerlei Bildern - Plattencover von Fleetwood Mac, Romeo und Julia (auf russisch), Beethoven. Alte Schwarz-Weiß-Fotografien von mir unbekannten Menschen. Ein gerahmtes BIld von einem alten Mann, den ich aus mir selbst unerfindlichen Gründen als Friesen einstufen würde. Dazu ein bisschen Plunder, Holzbestecke, eine Lichterkette, Gläser, ein englischer Zettel "10 reasons why beer is better than women" - sehr charmant in der Gesamtwirkung. Ein Arabisch beschriftetes Schild hängt dort, ich verstehe es nicht und frage meinen Mann. Aber auch der wird daraus nicht schlau, also fragen wir den Wirt. Aber auch der weiß nichts genaues! Gäste haben das Schild aufgehängt. Der Text ergibt keinen Sinn und manche Wörter gibt es anscheinend entweder gar nicht oder sie sind falsch geschrieben. "Prinzessin der Nacht" der Anfang, "ich bleibe Deutsch" das Ende - hmm... Leser, die des Arabischen mächtig sind, sind herzlich zu Deutungsversuchen eingeladen. Es gibt Spirituosen aller Art, auch wenn der Wirt keinen Jack Daniels kennt. Englisch kann er auch nicht, aber das ergänzt nur den urigen Charakter der Kneipe und macht auch sonst nichts, Whisky "Aswad" (Schwarz) versteht er. Einen Deckel gibt es hier nicht, er schreibt unseren "Deckel" in eine dicke, abgegriffene Kladde, die auf dem Tresen liegt. Zwei kleine Minuspunkte gibt es dann doch noch: die Musik ist hier ebenfalls nicht berauschend und die Toilette ist so eng, dass man, will man den Toilettendeckel nicht berühren (und nein, das will man wirklich nicht), halbstehend, die Knie gegen die (nicht abschließbare) Tür gedrückt kauern muss. Und die Spülung geht auch nicht. Mist.

Dennoch, der Gesamteindruck ist super und eins ist klar: ich komme wieder!

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bloedbabbler - So Jul 25, 20:59

Zumindest fördert die Toilette eine sportliche Haltung, auch wenn das nicht das primäre Bedürfnis sein dürfte, das man damit verbindet ;-)

Das Verbotsschild auf dem zweiten Foto zeigt, keine Pfeifen oder Zigarren, und was ist da noch?
Das kann ich leider nicht richtig erkennen.
Ist das eine Wasserpfeife und ein AK47?

Ansonsten klingt das nach einem schönen Ort, um gepflegt mal zu versacken. :-)

mia-meine-mia - So Jul 25, 21:03

von links nach rechts: Pfeife, Zigarre, Narjile (Wasserpfeife), Zigarette
Abu Jaspar (Gast) - Mo Jul 26, 13:03

Oh welch seelige Stunden

Ich gratuliere Dir! 1. zu diesem doch sehr netten Blog und 2. dass Du Abu George gefunden hast. Dort verbrachten wir unserseits im damaligen Auslandsemester 2006 viele Stunden und er war uns immer ein Rettungsring, wenn uns die Schizophrenie der Altstadt zu erdrücken drohte. Trinke doch das nächste Mal ein Almaza oder noch besser ein Barada auf unser Wohl. Danke! Bitte mehr von diesen Geschichten!

mia-meine-mia - Mo Jul 26, 22:15

Danke für die Blumen! Beim nächsten Mal stoße ich auf euch an :). Magst du erläutern, was du unter "Schizophrenie der Altstadt" verstehst?
Abu Jaspar (Gast) - Di Jul 27, 13:16

Schizophrenie der Altstadt

Du hattest diese Schizophrenie in Deiner Anekdote mit der verhassten Nachbarin angesprochen. Will damit sagen, dass es nach einigen Wochen bzw. Monaten manchmal schwer zu ertragen war, morgens um 6.00 von dem Lärm geweckt zu werden, den unser Nachbar beim verprügeln seiner Frau erzeugte und von denselben Nachbarn gelobt zu werden, dass wir im muslimischen Teil der Altstadt wohnen ... es sei ja hinlänglich bekannt, dass das Viertel der Christen dreckig sei und dort alle möglichen Krankheiten grassieren und von den moralischen Fehlern der Bewohner ganz zu schweigen. Da war es bei Abu George einfach nett, ungeschönte Realität beim Bier serviert zu bekommen. Ein älterer Herr deutete z.B. erst nachdem wir sozusagen als Trinker akzeptiert worden waren an, dass er 25 Jahre als Kommunist unter Hafiz in der Zitadelle und anderen Orten zugebracht hatte.
Es ließen sich noch viele weitere Anekdoten erzählen, von denen die meisten in ähnlicher Form dir wahrscheinlich auch schon passiert sind.
mia-meine-mia - Mi Jul 28, 20:14

Ich verstehe voll und ganz... an manchen Tagen könnte man auch einfach mal verrückt werden hier.

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