Tragische Konstellationen
Die tragische Konstellation des Angestellten meines Mannes sieht nämlich so aus: Mutter verstorben, Vater kleinkriminell, gerade erst wegen Drogenschmuggeleien aus dem Gefängnis raus, er selbst im Heim aufgewachsen, seine jüngere Schwester immer noch dort, seine ältere Schwester hält sich irgendwie über Wasser. Alle schrubben am Existenzminimum entlang, vom Vater ist keine Hilfe zu erwarten. Eher nimmt der dem Sohn noch die Kröten weg, die er bei uns in seiner Ausbildung verdient. Der Junge macht soweit einen ganz netten Eindruck, aber besonders verlässlich ist er nicht. Mal arbeitet er ein paar Tage ordentlich in der Werkstatt, bekommt auch noch eine Portion von dem, was ich koche, damit er wenigstens mal was anständiges im Magen hat. Dann kommt er wieder ein paar Tage nicht, weil er daheim mit seinem Schicksal hadert, überlegt, ob er nicht vielleicht einen anderen Beruf lernen sollte, geht nicht an sein Telefon oder lässt sich verleugnen. Irgendwann kreuzt er dann wieder hier auf, mein Mann wäscht ihm den Kopf, so dass er wieder für eine Weile davon überzeugt ist, dass er besser damit fährt, diese Ausbildung durchzuziehen, um für sich und seine Schwestern Geld verdienen zu können. Keine zwanzig Jahre alt, aber die Last, für drei aufkommen zu müssen, auf den Schultern. Neulich kam er kleinlaut an und gestand, dass er nicht in seiner Wohnung schlafen wolle, solang er nicht das Geld für die Miete beisammen habe, um Stress mit dem Vermieter zu vermeiden. Also haben wir ihn eine Nacht hier einquartiert. Am nächsten Tag hat er dann seine ältere Schwester um Unterstützung gebeten und hier liegt noch so ein Hase im Pfeffer begraben. Die Schwester verkauft ihren Körper, um an ein bisschen Geld zu kommen, was für den Bruder eine schwere Belastung ist, Ehre und so, weißt schon. Aber genau dieses Geld muss er dann von ihr annehmen, um seine Miete bezahlen zu können. Das erinnert mich fatal an eine Geschichte aus "Mit dem Taxi nach Beirut": dort gibt es auch ein Geschwisterpaar, wo er von dem Geld lebt, das sie als Prostituierte verdient. Es endet damit, dass er die Schwester wegen ihres 'Lebenswandels' umbringt. Das wollen wir hier mal nicht annehmen, aber unangenehm ist das alles allemal. Und der merkbefreite zweite Angestellte, der jeden Tag um halb drei Mittagspause macht, um sich bei Muttern daheim bekochen zu lassen, wo er auch noch wohnt, fragt, warum wir dem anderen denn immer was zu essen geben. Hohlbirniger kann man wohl kaum fragen.
So sieht's aus, Geschichten, die das Leben schreibt. Ob diese ein Happy End nehmen wird, man weiß es nicht.
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