Begegnungen

Samstag, 18. Dezember 2010

Der Ofenmeister

Gastfreundlich seien die Araber, sagt man. Und ja, das sind sie, wenn auch um den Preis diverser Bekehrungsversuche. Überhaupt seien sie freundlich und offenherzig, diese Araber, sagt man, und ja, viele sind so. Wenn man auch die Typen mitzählt, die alles Europäische anbaggern, was nicht bei drei auf den Bäumen ist, dann sogar fast alle. Aber jegliche kulturelle Offenheit und Freundlichkeit hat ihre Grenze, und zwar genau dort, wo der Tellerrand beginnt. Beim Essen nämlich hört der Spaß auf. Und das kam so:

Wir haben hier in Damaskus keinen eigenen Ofen. Mein Mann als Junggeselle war da nicht so anspruchsvoll, Hauptsache was zu essen, und selber kochen sowieso nicht. Ein Gaskocher war da vollkommen ausreichend. Und da wir uns hier ja nicht dauerhaft einrichten, haben wir nie eingesehen, warum wir hier einen kompletten Haushalt mit allem drum und dran aufziehen sollten. Der eine Kocher tut weiterhin seinen Dienst. Das ist nervig, wenn ich mal - typisch deutsch? - Kartoffeln, Soße, Gemüse und Fleisch hübsch getrennt zubereite, aber meistens mache ich es wie die Syrer und werfe einfach alles zusammen in einen großen Topf. Jetzt im Winter wärmen Eintöpfe sowieso am besten. Aber ab und an soll es doch auch mal was aus dem Ofen sein, und dafür gibt es die öffentlichen Ofen, da geht man hin und gibt dem Ofenmeister seine kulinarische Kreation in einer flachen Metallschüssel, mit Alufolie verpackt und der schiebt einem das Essen für eine Viertel- oder halbe Stunde in den Ofen.

Nun hat es sich bei uns eingebürgert, dass nicht wir selbst dorthin gehen, sondern die Angestellten meines Mannes, die auch so eine Art "Mädchen für alles" sind. Neben der Kälte wird das wohl eine der größten Umstellungen für ihn in Deutschland, niemand mehr, den er herumschicken kann, sondern alles selbst einkaufen gehen. Hier ist das ja auch manchmal schon bequem, wenn man nicht selbst raus muß mit seiner Einkaufsliste, aber es nimmt manchmal schon groteske Züge an, zum Beispiel wenn wir auf dem Nachhauseweg zehn Meter entfernt an einer Apotheke vorbeikommen, aber kein Panadol (=Aspirin) mitnehmen, sondern nach Hause gehen, und er die Jungs losschickt. Aber ich lasse ihm seinen Tick, lange wird er sich das ja nicht mehr 'gönnen' können... Also, zurück zum Ofen.

Die Jungs bringen also das Essen hin und holen es durchgegart wieder ab. Blöd aber, dass diese verrückte deutsche Nudel (also ich) nicht nur die üblichen "Kefte-Fleisch mit Tomaten, Paprika und Zwiebeln obendrauf" - Gerichte abliefert, sondern auch mal so total crazy Sachen macht wie Kartoffel-Spinat-Auflauf, Lasagne, Paprika gefüllt mit Reis und Kürbiskernen (zugegeben, die Kürbiskerne waren echt ne doofe Idee)... Was macht der weltgewandte Ofenmeister dann? Na klar, er lacht die Jungens aus, hänselt sie geradezu. Jetzt wollen sie nicht mehr dorthin gehen, es ist ihnen peinlich, denn jedesmal fragt der Typ sie süffisant, was sie denn diesmal wieder Tolles mitgebracht hätten. Klar, da sollten die drüberstehen, aber die sind ja noch keine 20 und mental eher noch in der Pubertät. Die schämen sich so wie ich, als ich mit 13 Binden für meine Mama kaufen sollte. Und da war die Verkäuferin nicht so bescheuert wie dieser Typ hier.

Dann kommt noch erschwerend hinzu, dass der Ofentyp nicht nur sich über meine Gerichte lustig macht, sondern sich auch noch weigert, die ordentlich zuzubereiten. Die Lasagne zum Beispiel muss schon so eine dreiviertel Stunde in den Ofen, sonst werden die Platten nicht gar. Macht er aber nicht. Auch nicht, wenn es entsprechend deutlich gefordert und auch bezahlt wird. Nach einer halben Stunde fliegt die Metallschüssel aus dem Ofen. Ob ich dann zu Hause mit noch harten Lasagneplatten sitze, obwohl ich mich so auf das Essen gefreut habe, juckt ihn nicht. Müsst' ich halt nur noch Falafel essen, dann hätt' ich auch keinen Grund zu meckern. Na, das hat er jetzt nicht gesagt, aber so denk ich's mir.

Nun mach ich entweder nur noch "angepasstes" Essen, oder ich bring die Sachen selbst hin, aber der würde mich genausowenig für voll nehmen und meine Zeitangaben sch... pfeifen, oder ich schicke meinen Mann. Ganz ehrlich, der Typ hat doch echt nicht mehr alle Zacken in der Krone?!

Aber lange geht's nicht mehr so, denn bald geht es zurck nach Deutschland, wahrscheinlich im Februar, denn - *lililililililililililililililiiiiiii* - mein Mann hat sein Visum bekommen. Dann essen wir Lasagne und Bratwurst und Kassler mit Rotkraut und Klößen und frisch dampfendes Mehrkornbrot mit tausend verschiedenen lecker Aufstrichen und Aufschnitten und Brötchen und Bacon und Tiramisu und Wirsing und Tiefkühlpizza und trinken nach dem Reinheitsgebot gebrautes Bier................

Freitag, 17. Dezember 2010

Tragische Konstellationen

Es gibt tragische Konstellationen im Leben, da möchte man seine Faust gen Himmel schwingen, und lauthals fragen: "Warum, du Arsch?!" Bevor ich das tatsächlich tue, fällt mir wieder ein, dass meines Erachtens niemand da oben ist (außer natürlich das fliegende Spaghettimonster, aber dem mag ich die Schuld auch nicht in die nudeligen Anhängsel schieben), und man alle Tragik auch einfach "Pech" nennen könnte. Außerdem sähe es ziemlich blöd aus, wenn ich sowas täte, und jemand bekäme es mit.

Die tragische Konstellation des Angestellten meines Mannes sieht nämlich so aus: Mutter verstorben, Vater kleinkriminell, gerade erst wegen Drogenschmuggeleien aus dem Gefängnis raus, er selbst im Heim aufgewachsen, seine jüngere Schwester immer noch dort, seine ältere Schwester hält sich irgendwie über Wasser. Alle schrubben am Existenzminimum entlang, vom Vater ist keine Hilfe zu erwarten. Eher nimmt der dem Sohn noch die Kröten weg, die er bei uns in seiner Ausbildung verdient. Der Junge macht soweit einen ganz netten Eindruck, aber besonders verlässlich ist er nicht. Mal arbeitet er ein paar Tage ordentlich in der Werkstatt, bekommt auch noch eine Portion von dem, was ich koche, damit er wenigstens mal was anständiges im Magen hat. Dann kommt er wieder ein paar Tage nicht, weil er daheim mit seinem Schicksal hadert, überlegt, ob er nicht vielleicht einen anderen Beruf lernen sollte, geht nicht an sein Telefon oder lässt sich verleugnen. Irgendwann kreuzt er dann wieder hier auf, mein Mann wäscht ihm den Kopf, so dass er wieder für eine Weile davon überzeugt ist, dass er besser damit fährt, diese Ausbildung durchzuziehen, um für sich und seine Schwestern Geld verdienen zu können. Keine zwanzig Jahre alt, aber die Last, für drei aufkommen zu müssen, auf den Schultern. Neulich kam er kleinlaut an und gestand, dass er nicht in seiner Wohnung schlafen wolle, solang er nicht das Geld für die Miete beisammen habe, um Stress mit dem Vermieter zu vermeiden. Also haben wir ihn eine Nacht hier einquartiert. Am nächsten Tag hat er dann seine ältere Schwester um Unterstützung gebeten und hier liegt noch so ein Hase im Pfeffer begraben. Die Schwester verkauft ihren Körper, um an ein bisschen Geld zu kommen, was für den Bruder eine schwere Belastung ist, Ehre und so, weißt schon. Aber genau dieses Geld muss er dann von ihr annehmen, um seine Miete bezahlen zu können. Das erinnert mich fatal an eine Geschichte aus "Mit dem Taxi nach Beirut": dort gibt es auch ein Geschwisterpaar, wo er von dem Geld lebt, das sie als Prostituierte verdient. Es endet damit, dass er die Schwester wegen ihres 'Lebenswandels' umbringt. Das wollen wir hier mal nicht annehmen, aber unangenehm ist das alles allemal. Und der merkbefreite zweite Angestellte, der jeden Tag um halb drei Mittagspause macht, um sich bei Muttern daheim bekochen zu lassen, wo er auch noch wohnt, fragt, warum wir dem anderen denn immer was zu essen geben. Hohlbirniger kann man wohl kaum fragen.

So sieht's aus, Geschichten, die das Leben schreibt. Ob diese ein Happy End nehmen wird, man weiß es nicht.

Freitag, 1. Oktober 2010

Ein merkwürdiger Besuch

Da sind wir also, in Aleppo, mit einem Frühstück im Bauch und einem Bett unter dem Hintern. Aber da sind ja noch die noch vor der Hochzeit, zu der wir angereist sind, anstehenden Verwandtschaftsbesuche, von denen ein besonders denkwürdiger hier erzählt werden soll.

Wir betreten die Wohnung von Khalo, dem Onkel meines Mannes sowie seiner Frau und deren Schwester. Die Wohnung ist einfach eingerichtet, ärmlich eigentlich, aber das Wort hat einen blöden Beigeschmack, in Anbetracht der beschränkten finanziellen Mittel, die offenbar zur Verfügung stehen, ist sie eigentlich ganz hübsch. Meine armenischen Begrüßungsworte werden wohlwollend zur Kenntnis genommen und ich erstmal herzlich gedrückt und geknutscht. Ein bisschen Geplänkel, während die Frauen in der Küche zu Werke sind, mein Mann übersetzt, im Gegenteil zu einem anderen Zweig seiner Verwandtschaft sprechen die Aleppiner kaum Englisch, und auch wenig Hocharabisch, Amia versuchen wir gar nicht erst. Zum gefühlten einhundertsten Mal erzählt mein Mann die Geschichte unseres Kennenlernens (die werde ich hier auch nochmal irgendwann erzählen...), muss sich dann aber beeilen, zum Ende zu kommen, denn es wird aufgetischt. Meine erste Freude, darüber dass es Nudeln gibt, legt sich bald, es sind sowas wie Spätzle in einer fetten, aber wenig geschmackreichen Sahnesoße, mit Hühnchenfleisch gespickt, naja, es macht satt. Vor den Weinblättern will ich mich eigentlich drücken, die sind nicht so mein Fall, aber aus Höflichkeit sage ich „Ein bisschen“, als man mir aufladen will, da bekomme ich natürlich eine ordentliche Portion, die mein Mann mir netterweise unauffällig Stück für Stück vom Teller klaubt. Außerdem gibt es Kebbe Naye, und das ist der Lichtblick, wenn es auch ohne Brot, das hier seltsamerweise nicht gereicht wird, etwas ungewöhnlich ist. Kebbe Naye ist rohes Fleisch, in etwa mit Mett vergleichbar, mit Bulghur vermischt und gut gewürzt, sauuuuuuulecker. Dennoch bin ich schnell satt, mein Magen ist sowieso nicht besonders groß, das geht proportional mit meiner Körpergröße einher. Und diese Nudeln stopfen aber sowas von, da ist schon bald Schluss. Erfolgreich wehre ich mich gegen alle Versuche, mir noch eine Portion auf den Teller zu schaufeln, keine einfache Angelegenheit.

Nach dem Essen wird flugs weiter aufgetischt, Obst, Kuchen, Nüsse. Ich will aber gar überhaupt nichts mehr, und langsam wird es schwierig, den Widerstand aufrechtzuerhalten. Ich beharre darauf, trinke nur meinen Kaffee, aber einfach ist das nicht. Ob ich unhöflich bin? Ich will halt nicht, mein Magen sagt „Nö“, was soll ich denn machen. Ich erkläre, dass ich, wenn ich all diese Leckereien essen wollte, vorher kein Mittag essen würde, das bringt einen Schmunzler, und auch wenn sie nicht aufgeben, mich zum Essen bewegen zu wollen, lässt doch die Intensität ihrer Versuche nach. Es ist wohl auch mehr, die Sorge, dass ich vielleicht doch wollen könnte, und zu schüchtern bin, zuzulangen. Dass das Gegenteil der Fall ist und ich wenn ich schüchtern wäre, zulangen würde, um diesen wohlgemeinten Aufforderungstiraden zu entgehen, kommt ihnen nicht in den Sinn.

Die Frauen verschwinden wiederum in der Küche, und nun sitze ich da mit Khalo, der doch noch ein paar Brocken Arabisch und Englisch zusammenkratzt, denn etwas Wichtiges brennt wahrscheinlich schon seit ich durch die Tür hereingekommen bin, auf seiner Seele. „You are from Germany?“ - „Yes.“ - „Heil Hitler“ kräht der schon weit über achtzigjährige Mann und reißt den rechten Arm in die Höhe. „He great man“ fügt er mit seinen restlichen Zähnen grinsend hinzu. Ich schlucke, beiße mir auf die Zunge und zaubere ein unverbindliches angedeutetes Lächeln in mein Gesicht. Mein Mann versucht rettend einzuspringen, ich müsse das verstehen, es seien eben die Juden die wirklichen Drahtzieher hinter dem armenischen Völkermord gewesen. Ich töte ihn mit einem Blick, und er versteht, dass er wieder einmal etwas meiner Weltsicht so diametral entgegengesetztes von sich gegeben hat, dass wir nicht einmal drüber diskutieren müssen, sondern nur schnell wieder dieses Thema begraben und vergessen. Er ist ja ein feiner Kerl mein Mann, zweifelsohne, aber für jede Verschwörungstheorie zu haben, und manche Bereiche beschweigen wir einfach, jeder hat schon einmal seinen Standpunkt klargemacht, keiner wird ihn ändern, und solange unsere Meinungen zu manchen Themen keinen Einfluss auf das alltägliche Leben nehmen, brauchen wir uns nicht damit herumzuärgern. „Heil Hitler“ kräht der alte Mann noch einmal und ich lächle, nehme mir eine Fustuq Halabi, um durch die Aufhebung der Essensverweigerung einen Szenenwechsel einzuleiten und wir gleiten irgendwie in ein weniger verfängliches Gespräch über.

Es naht die Zeit zum Aufbruch, ich werde gezwungen, doch wenigstens ein Stück des selbstgemachten Kuchens zu probieren, was ich dann auch tue, jetzt wäre Ablehnung tatsächlich unhöflich (eigentlich finde ich sie ja unhöflich, Maßstäbe sind verschieden). Ein ‚Nein‛ führt zu probieren-müssen, ‚Ein bisschen‛ zu einer vollen Portion, gut dass ich mich nie allzu enthusiastisch über irgendein Gericht gezeigt habe, sonst würde ich wahrscheinlich bis heute über den Boden kugeln. Da ich ja schon beim Essen bewiesen habe, dass ich mich nicht traue zu sagen was ich möchte (denn ganz bestimmt wollte ich in Wirklichkeit doch essen, so und nicht anders muss es gewesen sein!), werde ich nun auch noch fürsorglich darauf hingewiesen, dass ich doch besser auf Toilette gehen sollte, wenn wir die nächsten Stunden zwecks Sightseeing durch die Stadt laufen wollen. Muss ich aber nicht. Der Einfachheit halber könnte ich natürlich trotzdem gehen, damit Ruhe ist, aber nach dem Auftauchen des Stehaufmännchens Hitler bin ich sowieso schon etwas gereizt, und dass man mir nicht zutraut, selbst zu wissen, ob ich essen möchte oder pinkeln muss, das nervt mich in dem Moment sowas von dermaßen an, da hilft alles Fremdverstehen-Wollen nicht. Ich muss also nicht, und nachdem ich das dreimal deutlich gemacht habe und mein Mann, wie er später erzählt, auch noch aufgefordert wurde, mir die Wohnung zu zeigen, vielleicht würde ich es mir ja anders überlegen, wenn ich an der Toilette vorbeikäme, schließen wir die Tür hinter uns und ich atme auf. Kulturunterschiede, Altersunterschiede, Sprachunterschiede, Sozialisationsunterschiede, Bildungsunterschiede, ‚Klassen‛unterschiede, all das ist zwar vermutlich irgendwie weltbilderweiternd, aber auch so wahnsinnig anstrengend...

Die Aleppo-Ennealogie
Aleppo. Die Touri-Tour II
Aleppinische Taxen
Aleppo. Die Touri-Tour I
Eine syrische Braut II
Eine syrische Braut I
Auf Hotelsuche
Aleppinische Wasserspiele
Eine Zugfahrt, die ist lustig

Donnerstag, 30. September 2010

Der Strolch

Da laufen wir so durch die Straßen, zusammen mit zwei Bekannten, ein Junge und ein Mädel, da meint das Mädel plötzlich leicht irritiert: "Der Typ da vorn hat mir grad im Vorübergehen an den Arsch gepackt!" Nachdem ich mich vergewissert habe, wen sie meint, gebe ich diese Auskunft an meinen Mann weiter. Der bleibt, als wir zu ihm aufschließen, neben dem Typen stehen, der selber gerade herumsteht und telefoniert und taxiert ihn erstmal mit herablassenden Blicken. Das Mädel wollte gar keinen Aufstand um die Sache machen und es scheint ihr unangenehm zu sein, aber sowas kann ich nicht einfach so unkommentiert durchgehen lassen. Ich beruhige sie, dass wir keine Absicht hegen, eine Schlägerei anzuzetteln, aber ein paar Worte muss sich der Grapscher-Fuzzi schon anhören. Erst will er sich ein bisschen aufspielen, wer er denn überhaupt sei, ihm irgendwas sagen zu wollen. Mein Mann wird halt auch immer für einen Ausländer gehalten, und Ausländer braucht man wohl nicht ernst zu nehmen, zumindest in der Weltsicht dieses jungen Wunders der Schöpfung. In Erkenntnis der Tatsache, dass er einen Syrer vor sich hat, redet er sich dann natürlich heraus, dass alles ganz aus Versehen geschehen sei, als er gerade sein Handy aus der Tasche geholt habe und er das doch sehr bedauere. Das glaubt mein Mann ihm zwar bestimmt nicht, aber dabei wird es dann bewenden gelassen und wir gehen weiter. Das begrapschte Mädel weist darauf hin, dass der Typ sich nach seiner Grapsch-Attacke noch zu ihr herumgedreht und sie süffisant angegrinst habe, was nun eher selten aus Versehen passiert. Hätte er das gewusst, sagt mein Mann, hätte er dem Kerl noch ein paar ganz andere Töne gespielt, aber nun lassen wir es gut sein und ziehen unseres Weges.

Dennoch wiederholen wir noch einmal den Ratschlag, den auch der Lonely Planet und andere Reiseführer verlautbaren lassen: wenn so ein ******* daherkommt, sollte frau vor allem eines: lautstark alle Umstehenden von der Unsittlichkeit dieses Strolches in Kenntnis setzen, denn sogern viele Syrer auch unsittliche Gedanken hegen, und sie - wenn auch selten - sogar in die Tat umsetzen wie dieser Knilch, so entsetzt können sie doch sein und ihre Tugend herauskehren, wenn sie ein derartiges Verhalten bei jemand anderem mitbekommen. Die Unterstützung aller erreichbaren menschlichen Wesen in der näheren Umgebung ist einem sicher, ebenso die der Polizei, die sich - sofern nicht grad alle Polizeibeamten Mittagsschlaf halten natürlich - keinen Sittenstrolch durch die Finger gehen lassen.

Dienstag, 24. August 2010

Geht's dich an?

Leute, die stets besser wissen als man selbst was gut für einen ist, gibt es leider viel zu oft. Manchen kann man aus dem Weg gehen, manche ignorieren, manche muss man ertragen. Besonders verrückt wird es, wenn man sich freiwillig in ihre Gesellschaft begibt. Warum tue ich das also? Nun, einerseits ist mein Bekannter ansonsten wirklich ganz nett. Andererseits fällt unser Umgang miteinander vermutlich vorrangig in die Kategorie "kulturelle Neugier". Ich lerne etwas über syrische - junge - Muslime, er lernt etwas über die Mentalitäten deutscher - junger - "christlicher" Frauen, wobei ich eigentlich sogar stellvertretend für ganz Europa wahrgenommen werde. Das kann mitunter sehr anstrengend sein, denn jeder Halbsatz, jede individuelle Verrücktheit, jede Meinungsäußerung formt sein Bild von Millionen von Menschen. Was für eine Verantwortung. Es hilft natürlich andererseits dabei, sich vor Augen zu halten, das er ebenso ein Individuum ist und kein Vertreter des "typischen syrischen jungen Muslims". Trotzdem kann man natürlich beiderseits grob verallgemeinernd etwas über die Kultur des anderen lernen.

Bekehrungs- bzw. Korrekturversuche kann er sich aber offenbar nicht verkneifen. Hier drei Beispiele:

  1. Ich rauche, er nicht. Und das tut er sehr überzeugt. Nun gut, ein Hinweis, dass ich das Rauchen besser bleiben ließe, geschenkt. Vor allem eines: er hat ja recht. Aber das ist ja nun vorrangig mein Problem und mehr als den einen Hinweis braucht es wirklich nicht - bekommen tue ich derlei Hinweise natürlich trotzdem zahlreich. Schließlich aber kommentiert er krönenderweise in Anwesenheit meiner Freundin, dass nur ein echter Freund sei, wer einen vor Schaden zu bewahren versuche. Also er, während sie sich ja nicht darum kümmert, was ich mit meiner Gesundheit anstelle. Daraufhin sind wir beide ein bisschen pampig, was ihn in der Folgezeit veranlasst, seine Hinweise subtiler platzieren zu wollen. Wie man sehen wird, ist Subtilität aber nicht gerade eine seiner Stärken.
  2. Bei einer kleinen Geburtstagsfeier mit Kuchen und Saft reden wir über die Art, wie Geburtstage in unseren "Welten" zelebriert werden. Da in meiner Schilderung auch Alkohol auftaucht, schlägt er einige Zeit später, als das Thema schon längst abgehakt ist, in die Kerbe und möchte das Thema Drogen, ihren schädlichen Einfluss auf die Gesellschaft und die notwendigen Reaktionen der Politik diskutieren. Er hat aus der vorigen Geschichte begriffen, dass ich mir nicht gerne erzählen lasse, was ich seiner Meinung nach konsumieren sollte und was nicht, von daher spricht er nicht direkt über Alkohol, aber es ist mir schon klar, dass er genau darauf hinaus will.
  3. Bis hierher waren die ungefragten Verhaltenshinweise zwar nicht willkommen, aber ignorierbar. Aber er wäre nicht er, wenn er nicht eine Krönung parat hätte. Wir haben uns längere Zeit nicht gesehen, und seit ich geheiratet habe, war er noch nie bei meinem Mann und mir zu Hause. Das muss nachgeholt werden, also lade ich ihn ein. Was er von unserem bescheidenen Reich hält, in dem nur Saft und Kekse serviert werden, und nicht wie in seiner Familie ganz groß aufgedeckt, das wäre auch nochmal interessant. Eine Meinung muss er aber unbedingt loswerden: er habe ja bisher noch keine Frau, aber wenn er in den nächsten Jahren keine finde, dann werde er solo bleiben, denn irgendwann sei es ja zu spät zum Heiraten (er ist gerade mal Anfang zwanzig), und ab einem gewissen Alter solle man auch keine Kinder mehr bekommen, das sei nicht gut für sie, mit alten Eltern aufzuwachsen. Dazu sollte man wissen, dass ich zwar noch relativ jung bin, mein Mann aber so einige Lenze mehr zählen kann als ich. Was der Bub also gerade zu uns gesagt hat, ist: Setzt bloß zusammen keine Kinder in die Welt!

Das ist also, ja was soll ich sagen, sowas von unverschämt, da fehlen mir die Worte. Mir vom Rauchen abzuraten, fein, aber sich derartig in meine Familienplanung einmischen zu wollen, ich glaub, es hackt. Ich kommentierte das in dem Moment dann auch nicht weiter, aber jetzt hab ich von Kulturaustausch erstmal für eine Weile genug.

Sonntag, 22. August 2010

Stinktier

Meine Freundin und ich sind zum Essen im Restaurant eingeladen, mit einer syrischen Bekannten ihrerseits. Ich freue mich auf den Abend, bietet er doch Gelegenheit, mal eine "echte Syrerin" kennenzulernen, vielleicht ergibt sich ja ein interessanter Austausch unter Frauen. Weit gefehlt.

Das Drama nimmt seinen Lauf, als meine Freundin viel zu spät zum verabredeten Treffpunkt erscheint. Sie ist irgendwie im undurchsichtigen Netz aus Services hängengeblieben und hat nur mit Müh und Not schließlich hergefunden. Ich konnte nicht alleine vorgehen, um der jungen Syrerin die Wartezeit zu verkürzen, da ich nicht weiß, wo das Restaurant ist. Als wir schließlich - endlich! - dort angekommen, sitzt die Dame nicht mehr alleine dort, sondern mit zwei Studienfreunden, die sie kurzerhand eingeladen hat, damit sie sich nicht so langweilen muss. Nun gut, soll recht sein. Aber da wusste ich ja noch nicht, was für ein unangenehmes Exemplar der Spezies Mensch sich unter der Maske von einem von ihnen verbirgt. Während das Mädchen und einer der beiden Jungs höfliche Konversation pflegen und einen recht schüchternen Eindruck machen, legt sich unser besonderes Exemplar von Anfang an ins Zeug.

Erstmal wird alles abgefragt, was interessant sein könnte: Familienstand, aktuelle Beschäftigung, Freizeitsbeschäftigung usw. Kennenlern-Smalltalk sieht anders aus, es hat mehr den Geschmack eines Kreuzverhörs. Meine Freundin versucht in diesem Verhör, ihre Klippen zu umschiffen (eine nicht durch die Ehe sanktionierte Verbindung mit einem muslimischen Mann), während ich mich durch meine laviere (eine zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht eheliche Beziehung mit einem wesentlich älteren Mann, aber zumindest stimmt bei uns die Religion). Das Umschiffen dieser Klippen bedeutet, dass wir beide uns als Single geben, um weiteres Nachbohren in dieser Richtung zu vermeiden. Er würde es ja doch nicht verstehen, wir vermuten, und das korrekterweise, wie sich zeigen wird, eine erzkonservative Einstellung bei ihm. Unser angebliches Single-Dasein hat aber wiederum den Nachteil, dass er glaubt, bei uns landen zu können und so versucht er, all seinen Charme, von dessen überbordender Fülle er ganz offenbar völlig überzeugt ist, zu verspritzen. Leider erinnert das Odeur eher an ein Stinktier. Meine Freundin merkt später an, dass allein schon die Situation - mit zwei Ausländerinnen im Restaurant - genug Angeberstoff für die nächsten Wochen sein dürfte, auch wenn wir ihn eiskalt abblitzen lassen (was er seinen Freunden sicher nicht auf die Nase binden wird, und was er in seiner grenzenlosen Selbstbeweihräucherung vermutlich auch gar nicht bemerkt).

Seine schon vermuteten recht konservativen Einstellungen lässt er dann auch in ihrer ganzen Bandbreite zur Geltung kommen. Dass ich mal Religionswissenschaft studiert habe, ist dafür ein guter Aufhänger. Zunächst mal will er wissen, was das denn eigentlich ist. Sich objektiv mit Religion zu befassen, das ist für ihn wohl nicht vorstellbar und all meine Versuche, ihm den Unterschied zwischen Religionswissenschaft und Theologie näherzubringen, verlaufen im Sande. Es folgt unausweichlich die Gretchen-Frage. "Wie hältst du's mit der Religion?". Ich ignoriere diese so höflich wie ich kann, denn einen gut gepflegten Atheismus möchte ich ihm jetzt wirklich nicht auch noch erklären. Er kapiert aber nicht, dass wenn jemand dreimal auf die gleich Frage nicht antwortet, die Frage vielleicht unangebracht ist und ihn vielleicht auch keinen Furz weit was angeht. Ist ja nicht so, dass er ein alter Freund wäre. Wir kennen uns seit zwanzig Minuten. Dennoch war ich ihm offenbar Rechenschaft schuldig, denn mein stures Ignorieren seiner Frage und stattdessen extremer Konzentration auf die Nahrungsaufnahme führt ihn zur Schlussfolgerung, dass ich bei seinem "Test" (Oder bei meinem Studium? Ich bin nicht sicher, worauf er genau zielt.) durchgefallen sei. Soll mir recht sein.

Ist es überstanden? Nein! Jetzt kommt die nächste Ladung. Immerhin kann ich mich schließlich vorwiegend meinem Essen widmen, denn er hat meine Freundin ins Visier genommen und fragt sie, wie ein Kind ohne seine Eltern wissen soll, wie es sich zu verhalten hat. Hä? Ja, so geht es uns auch. Was will der Junge? Noch dazu ist ja im Übrigen die ganze Konversation in mittelprächtigem Englisch, was nicht immer zur Verbesserung der Verständigung beiträgt. Schließlich hat meine Freundin die Essenz seiner seltsamen Frage in etwa herauskristallisiert: wenn der Mensch keine Kontrollinstanz hat, wie etwa die Eltern, Gott, den Staat, wie soll er sich dann - moralisch - korrekt verhalten können? Das zielt ganz offenbar auf seine Sicht der Europäer, denen die meisten Kontrollinstanzen ja abhanden gekommen seien. Also kann man ja wohl anzunehmen, dass wir völlig triebgesteuert nur noch vögeln und fressen. So drückt er es natürlich nicht aus, er hat ja immer noch das Bild des kleinen Jungen ohne Eltern, aber es ist stark anzunehmen, dass er in etwa darauf hinauswollte. Ebenfalls wie ich zuvor versucht meine Freundin, die Konversation irgendwie versanden zu lassen. Es ist offensichtlich, dass der Kerl seine Fragen nicht stellt, um sein Weltbild zu erweitern, sondern lediglich, um uns seines überzustülpen und uns von seiner Superiorität in religiösen und moralischen Belangen zu überzeugen. Fragen der Verantwortung gegenüber sich selbst, seinen eigenen moralischen Werten, wieviel moralisches Verhalten wert ist, wenn es nicht auf eigenen Überzeugungen beruht sondern nur auf der Angst vor wie auch immer gearteter Strafe, die könnte man mit jemandem, der ernsthaft eine Diskussion sucht, natürlich untersuchen, aber hier kann man sich diese Mühe ehrlich sparen.

Was sind wir froh, als wir endlich gehen können. So eine selbstherrliche Nervensäge kann einem aber auch den ganzen Abend versauen. Selbst seine Freunde sind peinlich berührt und das Mädchen entschuldigt sich später noch dafür, ihn mitgebracht zu haben. Wenn sich schon die eigenen Freunde für einen schämen, dann sollte man sich doch echt mal Gedanken machen...

Mittwoch, 18. August 2010

Immer wieder Knilche

Nun hadere ich schon eine Weile ob meiner Kategorisierung. Die Taxifahrer-Geschichten sind stets unter "Alltägliches" gelandet, die letzten beiden Mich-Dumm-von-der-Seite-anquatsch-Kerle habe ich hingegen unter "Begegnungen" abgelegt, eine Kategorie, die eigentlich dafür gedacht war, erwähnenswerte Kontakte mit Individuen aufzubewahren. Aber eigentlich sind all diese Knilche ja eher eine gesichtslose Masse, so wie eben die Taxifahrer, Matrix-artige Smith-Replica. Kann man etwas auch in zwei Kategorien gleichzeitig unterbringen? Ich wüsste nicht wie. Ich belasse es also bei meiner Kategorisierung, habe ich doch nun zumindest auf deren Problematik hingewiesen.

Der heutige Knilch liefert aufgrund Reaktionsmüdigkeit meinerseits eine etwas kürzere Geschichte: Ich steige aus dem Service aus und will nach Hause gehen, was bedeutet, sich von der Hauptstraße aus etwa 200m durch kleine Gassen zu schlängeln. Zeitgleich mit mir steigt ein junger Kerl aus, den ich zumindest kurz wahrgenommen habe, aufgrund seiner Haare. Im Gegensatz zu den meisten Syrern, die ihre Haare kurz mit einem Kilo Gel drin tragen, hat er lange, gelfreie Haare, die zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden sind. Ich gehe also so durch die Gassen als eben dieser Typ auf einmal neben mir auftaucht und "Hallo" sagt. Schon jetzt weiß ich worauf das hinausläuft. frage mich aber ob der mir jetzt extra gefolgt ist oder zumindest hier in der Ecke wohnt. Gesehen habe ich ihn hier noch nicht. "Hallo" gebe ich zurück.

"Sprichst du Arabisch?"
"Ein bisschen"
"Wollen wir Freunde sein?"

Na hoppla, der kommt aber schnell zur Sache. Nichtmal das Standardprozedere - Herkunft, Familienstand, Kinder - abgefragt. Ich ignoriere die Frage und frage zurück:

"Wohnst du hier in der Gegend?"
"Nein, ich wohne in [hab ich vergessen]."

Aha, ist der mir also echt extra vom Service bis hierher gefolgt um mir diese grandiose Frage zu stellen und ich hab's nichtmal gemerkt. Grummel. Er wiederholt seine Frage aber ich hab grad gar keinen Bock auf Verfolger und sage schlicht "Nein". Wie erwartet hält ihn das dennoch nicht davon ab, auch noch die Telefonnummer erfragen zu wollen (wenn Frauen nein sagen, muss da schließlich ein verkapptes ja drin stecken - oder so...), was ihm ein weiteres "Nein" und einen extrem genervten Blick beschert, der ihn dann tatsächlich zum Aufgeben bewegt.

Jetzt im Nachhinein ärgere ich mich natürlich über mich selbst. Mit dem hätte ich doch ein bisschen Spaß haben können! Wie hier schon angeregt, hätte ich ihm die Handynummer seines Vorgängers andrehen können. Oder ihn freundlich auf einen Kaffee einladen, "mit mir und meinem syrischen Ehemann". Das Gesicht hätte ich dann gern gesehen. Naja, hoffentlich beim nächsten Mal!

Freitag, 6. August 2010

Gesucht: Frau, deutsch, heiratswillig

Mit zwei schwer gepackten Tüten voll beladen laufe ich von einem der wenigen Supermärkte in der Stadt zur Bushaltestelle. Permanent angequatscht zu werden bin ich ja gewohnt, erst vor ein paar Tagen hat mir ein Soldat seine Handynummer aufgedrängt, überhaupt nicht davon beeindruckt, dass ich verheiratet bin, mich nicht mit ihm treffen will und ihm auch nicht meine Handynummer geben will. Ich überlege schon die ganze Zeit was ich mit der Nummer machen soll. Einfach wegwerfen wäre ja zu simpel, irgendwie muss ich ihn doch ärgern können :).

An diesem Einkaufstag jedenfalls quatscht mich auch wieder mal jemand an. Meine Tüten will er mir tragen helfen. Nein danke, diese Erfahrung hat mir gereicht. Soso, also Deutsche bin ich. Ja, nach Deutschland möchte er auch gerne mal. Er kann sogar ein bisschen deutsch, nicht schlecht. Wir handeln den üblichen Smalltalk ab, mein Familienstand ist ihm also bereits zur Kenntnisnahme gebracht. Locker lässt er trotzdem nicht. Wieder will er mir die Tüten abnehmen, diesmal sehr rigoros, er versucht sie mir mehr oder minder aus den Händen zu reißen. Ebenso rigoros verteidige ich meine Supermarkt-Beute. Jetzt sind wir auch schon an der Haltestelle angekommen und ich hoffe innig, dass der Bus sich nicht allzuviel Zeit lässt. Langsam nervt der Typ schon ein bisschen. So, verheiratet bin ich also, stellt er (bedauernd) fest. Aber ob ich nicht eine Schwester hätte? Ich schmunzle. Ja, die habe ich tatsächlich. Ob die verheiratet sei. Nein, ist sie nicht. Na, ob da nicht eventuell... Ich erkläre ihm, dass er leider sicher so gar nicht ihr Typ wäre und hoffe, sein Heißluftballon-Ego damit wieder auf die angemessene Schrumpel-Luftballon-Größe zu bringen. Hilft aber nix, er ist fest davon überzeugt, dass sie ihm in Sekundenschnelle verfallen würde, würde sie ihn erblicken. Natürlich will er jetzt meine Handynummer. Nee, hab ich nicht (Stoßgebet: hoffentlich ruft nicht grad jetzt jemand an!). Na klar, seine Nummer darf er mir gerne geben. Das beschäftigt ihn und bis Zettel und Stift gefunden sind, kommt er endlich, mein Retter in der Not: der Bus!

Leider habe ich seine Nummer weggeworfen, nach dem Soldaten habe ich mir jetzt vorgenommen, alle Nummern die ich so kriege zu sammeln, um mal zu sehen, wie viele das letzten Endes sein werden. Ob deutsche Frauen meinen Mann auch so umgarnen werden...?

Im Übrigen ist das nicht der erste, der mich als Kontaktbörse für deutsche Frauen missversteht. Nur der erste, der meine Schwester will. Sonst sind Freundinnen sehr gefragt. Der Hinweis, sich einfach mal in der Altstadt umzuschauen, da hopsen schließlich hunderte ausländische Studentinnen in meinem Alter herum, fruchtet aber auch nicht. Die seien ja nicht häuslich und brav genug.

Ja dann, ich glaube, ich kann ihnen nicht helfen, diesen heiratswütigen syrischen Jungspunden, selbst wenn ich wollen würde...

Trageservice

Vom täglichen Gemüsemarkt komme ich nach Hause. In den Gassen auf dem Weg zu unserer Wohnung bietet mir ein junger Kerl seine Hilfe an, man sieht offensichtlich, dass die Augen bei mir heute größer waren als der Bizeps. Ich weiß, ich weiß, ich sollte ablehnen, das bringt doch nur Ärger... aber die Tüten sind echt verdammt schwer. Vor der Haustür bedanke ich mich freundlich und mein Trageservice zieht von dannen. So einfach, nix gewesen? Denkste!

Am selben Tag nachmittags klingelt es an der Tür. Mein Mann schaut vom Balkon runter, wer denn da ist. Er kommt wieder rein und fragt mich, ob ich von jemandem wisse, der meine Taschen getragen habe, und falls ja, was der von mir wollen könne. Ich bejahe ersteres und weiß auf letzteres auch keine Antwort. Erneutes Gespräch Balkon-Haustür. Mein Mann teilt mir mit: der junge Kerl möchte mich gern sehen. Na sowas... in dem Fall halte ich mich ganz an arabische Tradition und schicke meinen Mann wieder auf den Balkon. Was auch immer er möchte, er möge es bitte zunächst mit meinem Mann besprechen. Meinem Mann? Der junge Kerl ist verdutzt. Vermutlich hatte er eine andere Form der Verwandtschaft erwartet. Damit müsste die Geschichte jetzt eigentlich enden, aber der junge Kerl mag die Flinte nicht ins Korn werfen, kündigt trotzig an, er wolle mich dennoch unbedingt sehen und würde wiederkommen. Ich muss ganz schön Eindruck hinterlassen haben. Oder er hat halt einfach nur nen Knall.

Mein Mann nimmt es zum Glück gelassen, erklärt aber, eigentlich müsste er den Typ jetzt mal ordentlich vermöbeln, unter dem Brennglas der arabischen Traditionen betrachtet, habe sich der Typ jedenfalls absolut unmöglich aufgeführt. Glücklicherweise kümmert sich mein Gatte (mal ein anderes Wort zu Abwechslung) aber nicht so sehr um diese Tradition und mag sich wohl auch prinzipiell nicht mit belämmerten Halbstarken prügeln. Neugierig frage ich, wie er sich denn hätte korrekt verhalten müssen, um sein Interesse an mir zu bekunden und erfahre Folgendes: einfach hier klingeln und mich persönlich sehen zu wollen geht schonmal gar nicht. Erst recht nicht natürlich, wenn der Ehemann der Begehrten öffnet, und sich selbst dann nicht zu trollen, das ist mehr als nur unmöglich. Klassischerweise müsste er meinen Vater um Erlaubnis fragen, aber auch dann könnte er nicht einfach so mit mir ausgehen, sondern müsste gleich mit ernsthaften Absichten kommen, sprich mich zu ehelichen. Sich erstmal kennenlernen und zu schauen wie man denn so miteinander auskommt ist kein allzu arabisches Konzept.

Wiedergekommen ist der großmäulige Bengel übrigens dann doch nicht mehr.

Freitag, 30. Juli 2010

Zu Besuch

Man ist ja nicht nur hier, um die "Must See"-Liste der Reiseführer abzuklappern, man möchte ja auch Land und Leute kennenlernen (außer die Taxifahrer natürlich). Eine Einladung zum Essen bei einer muslimischen Familie in einem Vorort von Damaskus ist dazu eine willkommene Gelegenheit. Es wird ein höchst interessanter Besuch, mit beeindruckendem Interieur, vielen Leckereien, kontroversen Tischgesprächen und einem Bekehrungsversuch zum Nachtisch.

Eingeladen bin nicht nur ich, sondern mit mir gleich eine handvoll KollegInnen. Unser Freund hat uns den Weg erklärt, und mit vereinten Kräften schaffen wir es schließlich, nachdem auch der letzte mit schlafbedingter Verspätung am Treffpunkt eingetrudelt ist, in das richtige Service zu steigen. Im Vorort angekommen, wissen wir aber nicht recht, wie wir sein Haus finden sollen. Eine von uns hat sich zwar über Google Earth ein wenig schlau gemacht, aber so in der Frosch- anstatt Vogelperspektive ist sie einigermaßen orientierungslos. Wir schlagen schließlich eine Richtung ein, aber selbstverständlich wird es sich als die Falsche herausstellen. Es bleibt also nur übrig, unseren Freund anzurufen, damit er uns einsammelt und zu sich bringt. Das macht er auch, aber begeistert ist er davon nicht. Er musste schon seine Eltern überzeugen, um lauter Ausländer ins Haus bringen zu dürfen, aber das er mit denen allen auf der Straße gesehen wird, noch dazu alle Frauen unverschleiert, ein rarer Anblick in diesem konservativen Vorort, das war so nicht geplant.

Schließlich angekommen werden wir in das Besucherzimmer geleitet, ein beeindruckend ausstaffierter Raum mit reichlich verzierten, höchstwahrscheinlich handgefertigten Stühlen und Bänken in Blau und Gold. In einer Vitrine stehen zahlreiche, ebenso reich verzierte Porzellantassen, Figuren und vermutlich noch viel mehr beeindruckende Sachen, die ich nicht mehr recht in Erinnerung habe. Leider, leider traue ich mich nicht recht, ein Foto zu machen, so muss mein siebhaftes Gedächtnis das Bild ansatzweise rekonstruieren. Es ist jedenfalls ein wirklich prunkvoller Raum, dessen Ausstattung bestimmt teurer ist als die der ganzen restlichen Wohnung. So werden hier Besucher empfangen. Wir trinken Wasser, knabbern Nüsse und halten mit unserem Freund, seinem Vater, seinem Bruder und seinem Onkel ein wenig Smalltalk. Die Frauen des Hauses lassen sich hier nicht blicken.

Schließlich ist es soweit: Essenszeit. Wir wechseln vom Besucherzimmer in ein anderes Zimmer der Wohnung, dessen übliche Funktion nicht ganz klar ist, da es für uns in eine königliche Tafelrunde umgewandelt wurde. Auch die Frauen zeigen sich jetzt, verschleiert natürlich. Die Mutter, überhaupt nicht schüchtern, mit großen Kulleraugen und einer ihr innewohnenden Herzlichkeit und Fröhlichkeit, nimmt uns jede Befangenheit. Ihre Tochter hingegen ist sehr schüchtern und spricht während unseres gesamten Besuchs wohl nicht mehr als ein, zwei Sätze.
Ein Tisch nimmt beinahe den ganzen Raum ein, gedeckt mit lauter unglaublich leckeren Sachen: Hähnchen mit gelbem Reis, Salat, Hummus, Baba Ghanoush, diverse Karaffen mit nicht immer identifizierbaren, aber stets leckeren Getränken. Um es kurz zu machen: es ist köstlich und wir langen alle kräftig zu. Irgendwan sind wir alle pappsatt und müssen größte Anstrengungen unternehmen, um die Gastgeber daran zu hindern, uns Nachschlag auf die Teller zu packen und sie zu überzeugen, dass trotz des exquisiten Geschmacks kein Platz für auch nur ein weiteres Reiskorn ist. Unser Lob an die Köchin wird zur Kenntnis genommen, erst später gibt unser Freund zu, was seine Mutter vermutlich niemals preisgegeben hätte - das Essen haben sie bestellt, denn die Mutter war in den letzten Tagen gesundheitlich etwas angeschlagen und konnte nicht für so viele Leute kochen.

Das Gelage neigt sich dem Ende zu und schon wird Tee gebracht, ohne Tee oder Kaffee als Krönung ist keine syrische Mahlzeit komplett. Langsam entspannt sich ein Gespräch am Tisch, das viele interessante Wendungen nimmt. Die Mutter unseres Freundes hat sich, nachdem auch das jüngste Kind aus dem Gröbsten raus ist, an der Universität für englische Literatur eingeschrieben. Sie und die Kinder können demnach recht gut Englisch, Vater und Onkel nicht, was die Frage aufwirft, wie sie sich in der Situation fühlen - die Frau plaudert mit lauter ausländischen Gästen, während sie darauf angewiesen sind, dass der Sohn ab und an für sie übersetzt, worum es gerade geht. Das Interesse an einem Austausch zwischen verschiedenen Kulturen ist bei allen aber spürbar groß.

Wir diskutieren das Bild der arabischen Welt in europäischen und amerikanischen Medien. Um dieses ist es nun nicht allzugut bestellt und man versucht eindringlich, uns davon zu überzeugen, dass dieses Bild nicht der Realität entspricht, dass nicht alle Araber Terroristen sind, dass ihnen persönlich vor allem das Menschliche wichtig sei. Wir weisen mehrfach daraufhin, dass gerade wir nicht überzeugt werden müssen, mit so einem Bild im Kopf wären wir ja gar nicht erst hergekommen. Aber ja, dass dieses Bild existiert können wir nicht abstreiten. Jeder von uns hat mindestens einen, eher mehrere Freunde und Verwandte, die auf die Ankündigung, nach Syrien zu gehen, die Hände über dem Kopf zusammenschlugen und vor den Gefahren der "arabischen = muslimischen = terroristischen" Welt warnten.

Das Gespräch schlägt ein paar Haken und Wendungen und schon diskutieren wir die Rolle der Frau. Beeindruckend dabei, wie unsere Gastgeber das Gespräch führen: natürlich haben sie gewisse Vorstellungen von der westlichen Gesellschaft, wie andersherum ja auch so mancher meint, von einem Kopftuch auf die Lebensumstände einer muslimischen Frau schließen zu können. Aber hier ist man durchaus in der Lage, zwischen Wissen und Vorurteilen zu unterscheiden. Sie sagen nicht "bei euch ist es doch so und so...", sie sagen "ich habe gehört, bei euch sei es so und so, ist das denn tatsächlich so?". Ob Frauen denn immer arbeiten müssten? Nun, nicht immer, aber das klassische Ehe-Versorgungs-Modell funktioniert tatsächlich nicht mehr besonders oft, müssen wir zugeben. Interessante Deutungsansätze folgen: das bedeute doch, dass die muslimische (syrische) Frau wesentlich freier sei als ihre westlichen Geschlechtsgenossinnen. Es stehe ihr frei zu arbeiten, wenn sie denn wolle, aber müssen müsse sie eben nicht. Ich nehme das zur Kenntnis, denke mir, es ist eine interessante Deutung, die primär festgeschriebene Rolle der Frau als Hausfrau und Mutter als "Freiheit" zu verstehen, die Fähigkeit, sein eigenes Geld zu verdienen und im Falle eines Falles auch auf eigenen Beinen stehen zu können, als "Unfreiheit", behalte das aber für mich. Zu tief will ich nicht in die Diskussion einsteigen, solche Gespräche sind sehr erhellend, aber auch sehr anstrengend.

Nach einem Besuch bei der ortsansässigen Wohlfahrtsorganisation, in der man ein riesiges Aufhebens um die ausländischen Gäste macht und sich von uns lauter nützliche Ratschläge erhofft, die wir leider nicht bieten können, kehren wir noch einmal zu unseren Gastgebern zurück um einen Abschieds-Kaffee im Gästezimmer zu trinken. Der Onkel stellt sich dabei als Religionsgelehrter heraus, der die Gäste natürlich nicht ziehen lassen kann, ohne versucht zu haben, uns von den Vorzügen seiner Religion zu überzeugen. Zunächst muss herausgestellt werden, dass es definitiv einen Gott gibt, dazu zeigt er auf ein an der Wand hängendes Bild und erklärt, dass es höchst einfältig wäre, zu glauben, dass dieses einfach so aus dem Nichts entstanden sei. Natürlich gibt es einen Maler. Die Zielrichtung der Analogie ist klar: genauso wenig entsteht ein ganzes Universum und noch dazu all das Leben darin *einfach so*. Unser Freund übersetzt fleißig, muss dennoch ab und an den Onkel bitten, sein enthusiastisches Tempo zu drosseln, zunächst wollen die passenden englischen Begriffe gefunden werden. Es ist nicht der richtige Zeitpunkt, die Prinzipien der Evolutionslehre dagegenzuhalten, oder die unsinnige Neigung des Menschen, jede Wissenslücke mit "Gott" ausfüllen zu wollen, also ergeben wir uns in unser Schicksal und hören zu. Ein Koran wird hereingebracht, die Vorzüge der islamischen Religion, dem Menschen in allen Lebenslagen eine Anleitung für ein gottgefälliges Leben zu sein, angepriesen. In dem Stil geht es noch eine Weile weiter und würde es wohl auch noch lange, bis schließlich einer von uns sich ein Herz fasst, auf die schon weit vorangeschrittene Zeit hinweist, und bekundet, jetzt aber wirklich nach Hause zu müssen.

Nicht bekehrt, aber um eine interessante Begegnung reicher, kehren wir nach langen Abschiedsformeln, Freundschaftsbekundungen und Wiederholungswünschen jeder zurück nach Hause.

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