Freitag, 22. Oktober 2010

Partytime

Och nööö, die Tochter vom Nachbar zwei Häuser weiter heiratet morgen. Sei's ihr gegönnt, aber das heißt, bis in die Nacht muss ich diese arabische Partymusik-Beschallung ertragen. Und wenn ich alle Fenster zumach ist es nur ein kleines bisschen weniger laut, dafür aber ganz doof stickig. *Seufz*

Aleppo. Die Touri-Tour I

Auch in Aleppo gibt es eine Menge tolle Sachen zu sehen. Um in den Genuss dieser Sehenswürdigkeiten zu kommen, muss man seit neuestem aber erstmal als Ausländer bei der Anreise mit dem Bus sich einen Erlaubnis-Stempel bei einem Polizisten holen. Das ist nicht besonders schwierig, besonders wenn der Polizist total gelangweilt irgendwo in der Ecke vom Busbahnhof rumhängt. Wichtig ist das, was er da tut, aber trotzdem. Denn noch vor der Abfahrt kommt nochmal extra ein Geheimdienstler in den Bus um Stempel und Pass zu überprüfen. Ob die irgendwie schlechte Erfahrungen gemacht haben? Oder ist der beinahe weltumgreifende Kontrollwahn an Reisenden jetzt auch schon hier angekommen?

Allgemein gilt, dass Aleppo wesentlich konservativer ist als Damaskus. Trotz eines gewissen Touristenaufkommens werden Ausländer immer noch neugierig beäugt, grad so als wären wir grün und hätten ein drittes Auge mitten auf der Stirn. Das fängt schon auf dem Weg an, auf dem Busbahnhof in Hama, der für meine Zigarettenpause herhalten muss, glotzen die Kerle so offensichtlich, dass es schon extrem dreist ist. Aber es ist ja auch dreist, einfach so mit zwei (gut versteckten) Brüsten hier herumzustehen und zu rauchen. In Aleppo wird das nicht besser, aber es härtet ab, und danach kommt einem Damaskus in dieser Hinsicht ein kleines bisschen weniger schlimm vor.

Neben der allgemeinen Konservativität fällt als nächstes die hohe Armenier-Dichte ins Auge, sofern man ein Auge dafür hat. Enorm viele Geschäfte tragen armenische Namen (leicht erkennbar an der Endung -ian und auch an den immer wiederkehrenden gleichen Vornamen, das Armenische hat da scheinbar nicht allzuviel Auswahl), und wenn man es nicht am Namen erkennt, dann an der Schrift - etwa zwanzig Prozent der aleppinischen Bevölkerung sind armenisch. Dies Niveau hält sich, da Armenier für gewöhnlich innerhalb ihrer Gemeinschaft heiraten. Nicht selten wird mein Mann gefragt, ob er denn keine Armenierin gefunden habe, wenn ich vorgestellt werde. Aber sie meinen's nicht böse und finden es auch nicht arg schlimm. Die Begründung "Liebe" geht immer durch :). Aber ich schweife ab. Zurück zu den Sehenswürdigkeiten.

Am berühmtesten ist Aleppo wohl für seine Qal'a (Festung), die ungleich beindruckender als die damaszenische über der Stadt aufragt. Des Nachts kann man in ihrem Schatten sitzen und etwas in den zahlreichen Cafés am Fuß der Festung trinken. Um in die Festung zu kommen, muss man aber früher aufstehen. Der Eintritt kostet 150 SP für Ausländer, 15 SP für Syrer. Wenn man gerade keinen syrischen Ehemann vorzuweisen hat, hilft auch ein internationaler Studentenausweis. Man kann sich einer Führung anschließen, oder aber heimlich hinter dem Erklärbär hinterherlaufen und lauschen.. oder aber man smalltalkt freundlich mit jemandem, der sich ein bisschen auskennt, dann gibt es mit etwas Glück auch eine Führung für umsonst. Zu sehen gibt es beispielsweise das Hammam mit lauter lustigen Männekens darin, den Königssaal, das Gefängnis und eine Menge halb zerfallener Bauten. Im Übrigen gibt es von hier oben einen hervorragenden Ausblick über die ganze Stadt. In einem Souvenirshop kann man sich mit dem üblichen Touri-Kram eindecken. Ich habe mir ein Buch mit ein paar Erklärungen und einer Menge Bildern über die Festung gekauft.

Ebenfalls recht berühmt ist die Altstadt Aleppos mit ihren Suqs, immerhin ist sie Weltkulturerbe. Allzuviel Zeit blieb leider nicht, um ausgedehnte Streifzüge darin zu unternehmen, aber ein bisschen sind wir doch darin entlanggewandert. Die Aleppiner selbst scheinen nicht allzuviel mit ihrer Altstadt am Hut zu haben, weder mein Mann, noch sein hier lebender Cousin kennen sich in der Altstadt aus. Sie kommen hier normalerweise einfach gar nicht hin. Finde ich irgendwie seltsam, muss ich so aber wohl zur Kenntnis nehmen. Die Gassen sind enger als im Suq Hamidiye, am nachhaltigsten brennen sich die von den zahlreichen Fleischereigeschäften vor dem Laden präsentierten Schafsköpfe in mein Gedächtnis ein. Die wollen wir aber nicht kaufen, stattdessen einen Kilovorrat Seife, denn nichts geht über die aleppinische Ghar-Seife, je hochprozentiger olivenhaltig, desto besser. Mit meinem Mann an der Seite, der hier als Kind die Läden unter den Rolläden hinweg beklaut hat und dessen Vater ein Geschäft im Suq hatte (heute steht es leer) sehe ich mehr als "nur" ein Tourist.

Das nächste Highlight, den Pfaden des Lonely Planet folgend, ist die Omayyadenmoschee. Die heißt genauso wie die in Damaskus und scheint mir als Laie auch architektonisch recht ähnlich. Wie in Damaskus gibt es ein Heiligengrab, hier für einen gewissen Zacharias, und auch hier stecken die Leute dem Heiligen Geld zu. Ich versuche einen Blick ins Innere der vergitterten Kammer zu erhaschen, aber neben mir ergeht sich eine Muslima in unnachvollziehbaren Tönen in Wehklagen (?), und wie immer bei jedweder Art von religiösen Gefühlsausbrüchen bin ich mangels Empathiefähigkeit peinlich berührt und wende mich ab. Ebenfalls wie in Damaskus muss frau sich hier eine Ganzkörperverkleidung ausleihen, aber im Gegensatz zu dem blassbraunen Kartoffelsack dort gibt es hier einen modischen Zweiteiler, weiß geblümt. Mein Mann hat seine helle Freude daran, ich, die ich mich doch sonst immer über mittelöstliche Kleideretikette aufrege, werfe mir freiwillig so ein Ding über. Er kommt aus dem Grinsen kaum heraus und schießt ein Foto nach dem anderen davon. Sei ihm der Spaß gegönnt, das Leben bietet immer eine Möglichkeit zur Revanche (hier bitte giggeliges Hexenlachen vorstellen).

Die letzte Sehenswürdigkeit steht nicht im Reiseführer, ist aber mindestens genauso wichtig wie alle anderen zusammen: Das beste Eis der Welt! gibt es in einem kleinen, unscheinbaren Laden mit dem Namen "Salura", der sich in der Nähe des öffentlichen Parks befindet. Das ist keine hundertprozentig adäquate Wegbeschreibung, aber fragt euch bis dorthin durch, der anschließende Eisgenuss ist es wert. Hier wird das Eis tatsächlich noch "aus besten Zutaten" gemacht, nix Farb-und Konservierungsstoffe. Das Kirscheis ist so rot und schmeckt so intensiv nach Kirsche weil da eben auch kiloweise echte Kirschen drin sind. Schokolade ist auch unschlagbar super, mehr konnte ich leider nicht probieren, ich hatte vorher schon zuviel gegessen :(.

Blick über Aleppo Qal'a Aleppo - Hammam Qal'a Aleppo Omayyadenmoschee Aleppo I Omayyadenmoschee Aleppo II

Die Aleppo-Ennealogie
Aleppo. Die Touri-Tour II
Aleppinische Taxen
Eine syrische Braut II
Eine syrische Braut
Ein merkwürdiger Besuch
Auf Hotelsuche
Aleppinische Wasserspiele
Eine Zugfahrt, die ist lustig

Heller/Mosbahi - Arabische Erzählungen der Gegenwart

Arabische Erzählungen der Gegenwart

Das ist, wie es der Titel schon vermuten lässt, ein Sammelband mit zeitgenössischen arabischen Kurzgeschichten. Nach einer Einleitung, in der ein schlaglichtartiger Rückblick auf die Entwicklung der arabischen Literatur in den letzten Jahrhunderten geworfen wird, folgen die dreiunddreißig Geschichten, alphabetisch nach den Nachnamen der Autoren sortiert:

  • Henriette Abudi - Die Einladung
  • Ibrahim Aslan - Die Befähigung
  • Khannatha Bannuna - Blumen in Gefangenschaft
  • Muhammad al-Bisati - Der Kamelhändler
  • Ahmad Buzfur - Das Auge und das Erdbeben
  • Saad ad-Dusri - Die Löwin
  • Ahmad Ibrahim al-Faqih - Der Regen und die Träume
  • Gamal al-Ghitani - Exit
  • Jussuf Idris - Ein fleischliches Haus
  • Walid Ikhlasi - Der Wurm
  • Said al-Kafrawi - Sodrat al Muntaha - Lotusbaum im Siebten Himmel
  • Ghassan Kanafani - Der Verrückte
  • Idris al-Khouri - Zwei Gesichter
  • Muhammad Khudaijir - Das schwarze Reich
  • Ibrahim al-Koni - Die Zeit der Vögel
  • Izz al-Din al-Madani - Vor dem Aufbruch
  • Nagib Mahfus - Die Kneipe zur schwarzen Katze
  • Mustapha al-Mesnawi - Das Seil, der Junge und der Schreiner
  • Muhammad al-Minzi Kandil - Ein Ermordeter an irgendeinem Ort
  • Hassouna Mosbahi - Der Geburtstag des Präsidenten
  • Mu'nis ar-Razzaz - Mein zehntes Leben
  • Yasin Rifa'iya - Die Aschemänner
  • Idris as-Saghir - In einem Café am Ufer eines Flusses
  • At-Tayyib Salih - So, meine Herrschaften!
  • Salema Salih - Der Maulbeerbaum
  • Ghada Samman - Laila und der Wolf
  • Mahdi Ida as-Saqr - Eine Frau, die auf dem Bürgersteig sitzt
  • Hana asch-Schaich - Die Nacht der Frauen
  • Khairi Schalabi - Sembou
  • Yusuf asch-Scharouni - Die Hämorrhoiden
  • Zakariya Tamir - Des Leibhaftigen letzer Tag
  • Hasb Allah Yahya - Das Schloß
  • Muhammad Zafzaf - Eine Nacht in Casablanca

Zunächst einmal zu dem Projekt an sich: es ist meines Erachtens sehr gut gelungen, die verschiedensten Autoren aus aller Herren arabischer Länder mit ihren verschiedensten Erzählweisen vorzustellen. Neben der Einführung trägt zu diesem Gelingen bei, dass es im Anhang Worterklärungen, Kurzbiographien zu allen Autoren und eine Bibliographie der auf Deutsch/Englisch/Französisch erschienenen Werke der Autoren gibt. Das hilft, das Gelesene einzusortieren und bietet Möglichkeiten, sich darüber hinaus zu informieren. Das Manko dieses Buches (oder dieser Leserin): trotz einiger Informationen und so manchem Hinweis in der Einleitung, wie manche der Geschichten zu verstehen sind, bleibt der Leser (sofern er nicht schon sehr bewandert in arabischer Literatur ist) etwas ratlos zurück, ich jedenfalls hätte mir ein "Königs Erläuterungen" gewünscht, um auch zu verstehen, was ich da eigentlich lese. Sicher, eine gute Herangehensweise ist es zunächst einmal, zu überlegen, ob der Text irgendwie als Regime- oder Gesellschaftskritik aufgefasst werden könnte. Manchmal ist das relativ offensichtlich, aber bei der Geschichte über den Mann mit dem stets kränkelnden Hinterteil ("Die Hämorrhoiden") bin ich nicht drauf gekommen, dass es um Politik geht, erst als ich die Einleitung ein zweites Mal gelesen habe. Viele Geschichten haben entweder keine andere Ebene als die der gerade stattfindenden Erzählung, oder ich sehe sie nur nicht. Bei manchen Geschichten verstehe ich nicht einmal, was da gerade überhaupt passiert. Das beste Beispiel ist hier "Das Auge und das Erdbeben", da hätte selbst Kafka ehrfürchtig den Hut gezogen. Erst ist jemand ganz Auge, dann wird der Augenbrau gesattelt und auf ihm davongeritten, gemordet wird auch, in recht brutaler Wortwahl. Ich glaube, es geht um sexuelle Gewalt, aber ich will mich da nicht festlegen.

Es gibt aber auch Geschichten, die mir sehr gut gefallen. "Ein fleischliches Haus" ist sehr lesenswert, eine lustig erzählte Geschichte, die aber große Fragen nach Moral und Verantwortung aufwirft. Meine persönliche Lieblingsgeschichte und daher Leseempfehlung (und mit circa dreißig Seiten die mit Abstand längste Geschichte) ist "Laila und der Wolf".

Im Großen und Ganzen verdient das Buch also für die Vielfalt der Geschichten und Autoren und das gebotene "Drumherum" problemlos seine fünf Sterne. Dass einzelne Geschichten weniger begeistern können, liegt bei einem derartigen Querschnitt in der Natur der Sache, dass das Verständnis teilweise oberflächlich bleibt ein Problem, dem vor allem durch eines: noch mehr lesen!, abgeholfen werden kann.

5 Sterne

Bab Sharqi

Bab Sharqi

Das Wort zum Freitag (22.10.)

"It has been rumored that we have fired scud missiles into Kuwait. I am here now to tell you, we do not have any scud missiles and I don't know why they were fired into Kuwait."
Muhammed Saeed al-Sahaf

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