Samstag, 18. Dezember 2010

Der Ofenmeister

Gastfreundlich seien die Araber, sagt man. Und ja, das sind sie, wenn auch um den Preis diverser Bekehrungsversuche. Überhaupt seien sie freundlich und offenherzig, diese Araber, sagt man, und ja, viele sind so. Wenn man auch die Typen mitzählt, die alles Europäische anbaggern, was nicht bei drei auf den Bäumen ist, dann sogar fast alle. Aber jegliche kulturelle Offenheit und Freundlichkeit hat ihre Grenze, und zwar genau dort, wo der Tellerrand beginnt. Beim Essen nämlich hört der Spaß auf. Und das kam so:

Wir haben hier in Damaskus keinen eigenen Ofen. Mein Mann als Junggeselle war da nicht so anspruchsvoll, Hauptsache was zu essen, und selber kochen sowieso nicht. Ein Gaskocher war da vollkommen ausreichend. Und da wir uns hier ja nicht dauerhaft einrichten, haben wir nie eingesehen, warum wir hier einen kompletten Haushalt mit allem drum und dran aufziehen sollten. Der eine Kocher tut weiterhin seinen Dienst. Das ist nervig, wenn ich mal - typisch deutsch? - Kartoffeln, Soße, Gemüse und Fleisch hübsch getrennt zubereite, aber meistens mache ich es wie die Syrer und werfe einfach alles zusammen in einen großen Topf. Jetzt im Winter wärmen Eintöpfe sowieso am besten. Aber ab und an soll es doch auch mal was aus dem Ofen sein, und dafür gibt es die öffentlichen Ofen, da geht man hin und gibt dem Ofenmeister seine kulinarische Kreation in einer flachen Metallschüssel, mit Alufolie verpackt und der schiebt einem das Essen für eine Viertel- oder halbe Stunde in den Ofen.

Nun hat es sich bei uns eingebürgert, dass nicht wir selbst dorthin gehen, sondern die Angestellten meines Mannes, die auch so eine Art "Mädchen für alles" sind. Neben der Kälte wird das wohl eine der größten Umstellungen für ihn in Deutschland, niemand mehr, den er herumschicken kann, sondern alles selbst einkaufen gehen. Hier ist das ja auch manchmal schon bequem, wenn man nicht selbst raus muß mit seiner Einkaufsliste, aber es nimmt manchmal schon groteske Züge an, zum Beispiel wenn wir auf dem Nachhauseweg zehn Meter entfernt an einer Apotheke vorbeikommen, aber kein Panadol (=Aspirin) mitnehmen, sondern nach Hause gehen, und er die Jungs losschickt. Aber ich lasse ihm seinen Tick, lange wird er sich das ja nicht mehr 'gönnen' können... Also, zurück zum Ofen.

Die Jungs bringen also das Essen hin und holen es durchgegart wieder ab. Blöd aber, dass diese verrückte deutsche Nudel (also ich) nicht nur die üblichen "Kefte-Fleisch mit Tomaten, Paprika und Zwiebeln obendrauf" - Gerichte abliefert, sondern auch mal so total crazy Sachen macht wie Kartoffel-Spinat-Auflauf, Lasagne, Paprika gefüllt mit Reis und Kürbiskernen (zugegeben, die Kürbiskerne waren echt ne doofe Idee)... Was macht der weltgewandte Ofenmeister dann? Na klar, er lacht die Jungens aus, hänselt sie geradezu. Jetzt wollen sie nicht mehr dorthin gehen, es ist ihnen peinlich, denn jedesmal fragt der Typ sie süffisant, was sie denn diesmal wieder Tolles mitgebracht hätten. Klar, da sollten die drüberstehen, aber die sind ja noch keine 20 und mental eher noch in der Pubertät. Die schämen sich so wie ich, als ich mit 13 Binden für meine Mama kaufen sollte. Und da war die Verkäuferin nicht so bescheuert wie dieser Typ hier.

Dann kommt noch erschwerend hinzu, dass der Ofentyp nicht nur sich über meine Gerichte lustig macht, sondern sich auch noch weigert, die ordentlich zuzubereiten. Die Lasagne zum Beispiel muss schon so eine dreiviertel Stunde in den Ofen, sonst werden die Platten nicht gar. Macht er aber nicht. Auch nicht, wenn es entsprechend deutlich gefordert und auch bezahlt wird. Nach einer halben Stunde fliegt die Metallschüssel aus dem Ofen. Ob ich dann zu Hause mit noch harten Lasagneplatten sitze, obwohl ich mich so auf das Essen gefreut habe, juckt ihn nicht. Müsst' ich halt nur noch Falafel essen, dann hätt' ich auch keinen Grund zu meckern. Na, das hat er jetzt nicht gesagt, aber so denk ich's mir.

Nun mach ich entweder nur noch "angepasstes" Essen, oder ich bring die Sachen selbst hin, aber der würde mich genausowenig für voll nehmen und meine Zeitangaben sch... pfeifen, oder ich schicke meinen Mann. Ganz ehrlich, der Typ hat doch echt nicht mehr alle Zacken in der Krone?!

Aber lange geht's nicht mehr so, denn bald geht es zurck nach Deutschland, wahrscheinlich im Februar, denn - *lililililililililililililililiiiiiii* - mein Mann hat sein Visum bekommen. Dann essen wir Lasagne und Bratwurst und Kassler mit Rotkraut und Klößen und frisch dampfendes Mehrkornbrot mit tausend verschiedenen lecker Aufstrichen und Aufschnitten und Brötchen und Bacon und Tiramisu und Wirsing und Tiefkühlpizza und trinken nach dem Reinheitsgebot gebrautes Bier................

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??????? (Gast) - So Dez 19, 04:07

ist wirklich erfreulich dass du bald deinen lange vermissten leiblichen genüssen (wirsing und tiramisu?) frönen kannst........... doch wer erzählt mir dann so verrückte geschichten aus damaskus ?
;)

mia-meine-mia - Mo Dez 20, 13:27

Fahr hin und erleb selbst welche ;)

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