Aleppo. Die Touri-Tour I
Allgemein gilt, dass Aleppo wesentlich konservativer ist als Damaskus. Trotz eines gewissen Touristenaufkommens werden Ausländer immer noch neugierig beäugt, grad so als wären wir grün und hätten ein drittes Auge mitten auf der Stirn. Das fängt schon auf dem Weg an, auf dem Busbahnhof in Hama, der für meine Zigarettenpause herhalten muss, glotzen die Kerle so offensichtlich, dass es schon extrem dreist ist. Aber es ist ja auch dreist, einfach so mit zwei (gut versteckten) Brüsten hier herumzustehen und zu rauchen. In Aleppo wird das nicht besser, aber es härtet ab, und danach kommt einem Damaskus in dieser Hinsicht ein kleines bisschen weniger schlimm vor.
Neben der allgemeinen Konservativität fällt als nächstes die hohe Armenier-Dichte ins Auge, sofern man ein Auge dafür hat. Enorm viele Geschäfte tragen armenische Namen (leicht erkennbar an der Endung -ian und auch an den immer wiederkehrenden gleichen Vornamen, das Armenische hat da scheinbar nicht allzuviel Auswahl), und wenn man es nicht am Namen erkennt, dann an der Schrift - etwa zwanzig Prozent der aleppinischen Bevölkerung sind armenisch. Dies Niveau hält sich, da Armenier für gewöhnlich innerhalb ihrer Gemeinschaft heiraten. Nicht selten wird mein Mann gefragt, ob er denn keine Armenierin gefunden habe, wenn ich vorgestellt werde. Aber sie meinen's nicht böse und finden es auch nicht arg schlimm. Die Begründung "Liebe" geht immer durch :). Aber ich schweife ab. Zurück zu den Sehenswürdigkeiten.
Am berühmtesten ist Aleppo wohl für seine Qal'a (Festung), die ungleich beindruckender als die damaszenische über der Stadt aufragt. Des Nachts kann man in ihrem Schatten sitzen und etwas in den zahlreichen Cafés am Fuß der Festung trinken. Um in die Festung zu kommen, muss man aber früher aufstehen. Der Eintritt kostet 150 SP für Ausländer, 15 SP für Syrer. Wenn man gerade keinen syrischen Ehemann vorzuweisen hat, hilft auch ein internationaler Studentenausweis. Man kann sich einer Führung anschließen, oder aber heimlich hinter dem Erklärbär hinterherlaufen und lauschen.. oder aber man smalltalkt freundlich mit jemandem, der sich ein bisschen auskennt, dann gibt es mit etwas Glück auch eine Führung für umsonst. Zu sehen gibt es beispielsweise das Hammam mit lauter lustigen Männekens darin, den Königssaal, das Gefängnis und eine Menge halb zerfallener Bauten. Im Übrigen gibt es von hier oben einen hervorragenden Ausblick über die ganze Stadt. In einem Souvenirshop kann man sich mit dem üblichen Touri-Kram eindecken. Ich habe mir ein Buch mit ein paar Erklärungen und einer Menge Bildern über die Festung gekauft.
Ebenfalls recht berühmt ist die Altstadt Aleppos mit ihren Suqs, immerhin ist sie Weltkulturerbe. Allzuviel Zeit blieb leider nicht, um ausgedehnte Streifzüge darin zu unternehmen, aber ein bisschen sind wir doch darin entlanggewandert. Die Aleppiner selbst scheinen nicht allzuviel mit ihrer Altstadt am Hut zu haben, weder mein Mann, noch sein hier lebender Cousin kennen sich in der Altstadt aus. Sie kommen hier normalerweise einfach gar nicht hin. Finde ich irgendwie seltsam, muss ich so aber wohl zur Kenntnis nehmen. Die Gassen sind enger als im Suq Hamidiye, am nachhaltigsten brennen sich die von den zahlreichen Fleischereigeschäften vor dem Laden präsentierten Schafsköpfe in mein Gedächtnis ein. Die wollen wir aber nicht kaufen, stattdessen einen Kilovorrat Seife, denn nichts geht über die aleppinische Ghar-Seife, je hochprozentiger olivenhaltig, desto besser. Mit meinem Mann an der Seite, der hier als Kind die Läden unter den Rolläden hinweg beklaut hat und dessen Vater ein Geschäft im Suq hatte (heute steht es leer) sehe ich mehr als "nur" ein Tourist.
Das nächste Highlight, den Pfaden des Lonely Planet folgend, ist die Omayyadenmoschee. Die heißt genauso wie die in Damaskus und scheint mir als Laie auch architektonisch recht ähnlich. Wie in Damaskus gibt es ein Heiligengrab, hier für einen gewissen Zacharias, und auch hier stecken die Leute dem Heiligen Geld zu. Ich versuche einen Blick ins Innere der vergitterten Kammer zu erhaschen, aber neben mir ergeht sich eine Muslima in unnachvollziehbaren Tönen in Wehklagen (?), und wie immer bei jedweder Art von religiösen Gefühlsausbrüchen bin ich mangels Empathiefähigkeit peinlich berührt und wende mich ab. Ebenfalls wie in Damaskus muss frau sich hier eine Ganzkörperverkleidung ausleihen, aber im Gegensatz zu dem blassbraunen Kartoffelsack dort gibt es hier einen modischen Zweiteiler, weiß geblümt. Mein Mann hat seine helle Freude daran, ich, die ich mich doch sonst immer über mittelöstliche Kleideretikette aufrege, werfe mir freiwillig so ein Ding über. Er kommt aus dem Grinsen kaum heraus und schießt ein Foto nach dem anderen davon. Sei ihm der Spaß gegönnt, das Leben bietet immer eine Möglichkeit zur Revanche (hier bitte giggeliges Hexenlachen vorstellen).
Die letzte Sehenswürdigkeit steht nicht im Reiseführer, ist aber mindestens genauso wichtig wie alle anderen zusammen: Das beste Eis der Welt! gibt es in einem kleinen, unscheinbaren Laden mit dem Namen "Salura", der sich in der Nähe des öffentlichen Parks befindet. Das ist keine hundertprozentig adäquate Wegbeschreibung, aber fragt euch bis dorthin durch, der anschließende Eisgenuss ist es wert. Hier wird das Eis tatsächlich noch "aus besten Zutaten" gemacht, nix Farb-und Konservierungsstoffe. Das Kirscheis ist so rot und schmeckt so intensiv nach Kirsche weil da eben auch kiloweise echte Kirschen drin sind. Schokolade ist auch unschlagbar super, mehr konnte ich leider nicht probieren, ich hatte vorher schon zuviel gegessen :(.
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