Was fehlen würde
- Sonnenschein
- Granatäpfel kiloweise
- sich immer ein Taxi leisten können
- Gelassenheit als Grundprinzip
- Hummus – Dip
- arabischer Kaffee
- überbordende Gastfreundlichkeit
- das urige Kneipchen
Die heutige Lektion zeigt uns, dass fast niemand vor den verschlagenen Taxifahrern sicher ist... höchstens waschechte und offensichtlich nicht überbegüterte Syrer vielleicht. Ich möchte von der Altstadt nach Hause fahren. Mein Begleiter ist Syrer, hat aber lange Zeit im Libanon gelebt und dementsprechend einen libanesischen Akzent. Das führt, wie er mir erzählt, des öfteren dazu, das er als "Ausländer" wahrgenommen und entsprechend behandelt wird.Wir steigen in ein Taxi, das Taxameter steht auf etwas um die siebzig Lira, und der Fahrer macht keine Anstalten, es zurückzusetzen - 5,50 SP wäre der korrekte Startpreis. Da mein Bekannter aber nichts weiter dazu sagt, soll es mir egal sein. Wir können schließlich subtrahieren, und genau den angezeigten Fahrpreis minus siebzig wird der Fahrer dann auch bekommen. Aber denkste, so einfach will er uns nicht davonkommen lassen. Am Ziel angekommen, bezahlt mein Begleiter (na klar, das wär ja auch noch schöner, wenn die Frau bezahlen würde... da er kein Kleingeld hat, hab ich ihm schon vorsorglich diskret das passende Geld zugesteckt), das Ergebnis seiner Subtraktion ergibt etwa 80SP. Aber nein, der Fahrer möchte gerne seine 150SP haben und zeigt auf das Taxameter. Freundlich darauf hingewiesen, dass er dieses zu Beginn der Fahrt nicht korrekt eingestellt hatte, streitet er dieses vehement, laut und gestikulierend ab. Auch ich bestätige noch, dass ebendies doch der Fall ist, aber er scheint nicht sonderlich beeindruckt und vorn entspannt sich eine Diskussion, der ich nicht ganz folgen kann, doch es ist klar, dass sich kein gemeinsamer Standpunkt finden lässt. Heute bin ich doch etwas gereizt und fordere meinen Begleiter auf, sich die Taxinummer zu notieren und die Angelegenheit der Verkehrspolizei zu überlassen. Das scheint der werte Herr Fahrer verstanden zu haben, denn schließlich akzeptiert er seine Bezahlung und schmeißt uns, ziemlich wütend, aus dem Auto. Also nicht wortwörtlich natürlich, aber verbal. Oh mann, was für ein A*****och.
Na dann, gute Fahrt ;)
Taxi, Taxi VII
Taxi, Taxi VI
Taxi, Taxi V
Taxi, Taxi IV
Taxi, Taxi II
Taxi, Taxi
So wandern wir weiter die Gerade Straße entlang, als mein Blick in ein kleines Lädchen fällt, hätten nicht ein paar Raucher vor der Tür gestanden, hätte ich es sicher übersehen, so winzig ist es. Drei Tische, ein Tresen, alles auf ein paar Quadratmeter gequetscht. Der Wirt macht schnell einen Tisch für uns frei, die dort Sitzenden waren wohl keine zahlenden Gäste, sondern Bekannte von ihm. Was soll ich sagen? Ich bin froh, dass man uns aus der anderen Bar hinausgeworfen hat. Diese Kneipe ist so schnuckelig, richtig urig, die packe ich in meinen Koffer und bringe sie mit nach Deutschland. Tische aus knorrigem dunklen Holz, die Wände behängt mit allerlei Bildern - Plattencover von Fleetwood Mac, Romeo und Julia (auf russisch), Beethoven. Alte Schwarz-Weiß-Fotografien von mir unbekannten Menschen. Ein gerahmtes BIld von einem alten Mann, den ich aus mir selbst unerfindlichen Gründen als Friesen einstufen würde. Dazu ein bisschen Plunder, Holzbestecke, eine Lichterkette, Gläser, ein englischer Zettel "10 reasons why beer is better than women" - sehr charmant in der Gesamtwirkung. Ein Arabisch beschriftetes Schild hängt dort, ich verstehe es nicht und frage meinen Mann. Aber auch der wird daraus nicht schlau, also fragen wir den Wirt. Aber auch der weiß nichts genaues! Gäste haben das Schild aufgehängt. Der Text ergibt keinen Sinn und manche Wörter gibt es anscheinend entweder gar nicht oder sie sind falsch geschrieben. "Prinzessin der Nacht" der Anfang, "ich bleibe Deutsch" das Ende - hmm... Leser, die des Arabischen mächtig sind, sind herzlich zu Deutungsversuchen eingeladen. Es gibt Spirituosen aller Art, auch wenn der Wirt keinen Jack Daniels kennt. Englisch kann er auch nicht, aber das ergänzt nur den urigen Charakter der Kneipe und macht auch sonst nichts, Whisky "Aswad" (Schwarz) versteht er. Einen Deckel gibt es hier nicht, er schreibt unseren "Deckel" in eine dicke, abgegriffene Kladde, die auf dem Tresen liegt. Zwei kleine Minuspunkte gibt es dann doch noch: die Musik ist hier ebenfalls nicht berauschend und die Toilette ist so eng, dass man, will man den Toilettendeckel nicht berühren (und nein, das will man wirklich nicht), halbstehend, die Knie gegen die (nicht abschließbare) Tür gedrückt kauern muss. Und die Spülung geht auch nicht. Mist.
Dennoch, der Gesamteindruck ist super und eins ist klar: ich komme wieder!
Überlebenstipps für heiße Tage (nicht Deutsche Bahn-erprobt)
Ach ja, ich wünschte, es gäbe hier Freibäder... Schönen Sommer noch!
Zunächst mal gibt es zwei Mobilfunk-Anbieter: Ya Hala und MSN. Unterschiedlich ist aber nur der Name, die Preise sind bei beiden gleich. Soweit verstand ich auch den Menschen hinter dem Tresen im Handy-Shop. Aber dann fingen die Schwierigkeiten an. Man kann sich nämlich nicht einfach so eine SIM-Karte kaufen, ins Handy einlegen und lostelefonieren. Zwar gibt es keine Handyverträge sondern nur Prepaid-Karten, aber dennoch muss zunächst mal ein Formular mit einer ganzen Menge persönlicher Daten ausgefüllt werden. Nun gut, Name, Geburtsdatum etc. bekam ich noch einwandfrei hin. Adresse? Da fängt es an. Bei über sieben Ecken Bekannten von Bekannten untergekommen weiß ich doch nicht, wo sie wohnen. Straßennamen gibt es hier selten und Hausnummern nie, aber wenigstens den Stadtteil hätte er schon gern gehört. Nach einer Weile gibt er auf und lässt dieses Feld schließlich frei. Doch es geht munter weiter: Name des Vaters. Immerhin weiß ich, wie mein Vater heißt, aber eine Reihe von Missverständnissen lässt auch diesen Punkt in ein großes Fragezeichen ausufern. Zunächst mal bin ich verwundert, dass er diese Angabe überhaupt braucht. Himmel, ich will doch nur eine Prepaid-Karte! Aber natürlich muss stets für gewisse Herrschaften nachvollziehbar sein, was, wieviel und mit wem ich so telefoniere, das leuchtet auch mir schließlich ein...* Also gebe ich ihm den Nachnamen meines Vaters, der - welch Überraschung - der gleiche ist wie meiner. Der Mann hinterm Tresen ist verwirrt. "Königs Königs?" "Nein!" Letzten Endes wird klar, er will den Vornamen meines Vaters, und auch nur den, der Nachname ist völlig uninteressant für ihn.
Schließlich gehe ich mit meiner hart erkämpften SIM-Karte nach Hause und lasse mir zunächst mal meine Adresse auf einen Zettel schreiben. Daran, die Vornamen meiner Eltern in jedes Formular zu schreiben, habe ich mich inzwischen gewöhnt, der Sinn hat sich mir jedoch bis heute nicht vollständig erschlossen. Sagen wir mal, ich hieße Kerstin Abendroth und mein Vater hieße Peter Würfelspitz. Was hat irgendjemand davon, wenn ich in jedes dahergelaufene Formular "Peter" schreibe - besonders, wenn nirgendwo Würfelspitz steht? Vielleicht bin ich aber auch zu weltnah, um bürokratische Herangehensweisen nachvollziehen zu können...
* Die persönlichen Daten sind also im Zusammenhang mit der Telefonnummer gespeichert. So weit, so (naja) gut. Besonders toll aber, wenn jemand seine Telefonnummer wechselt, um nicht mehr von jemand anderem belästigt zu werden, und dieser andere Jemand auch die neue Nummer herausbekommt. Da war wohl einer der gewissen Herrschaften bestechungsanfällig...*räusper*
Das ist natürlich eine löbliche Sache im Sinne des Nichtraucherschutzes, auch wenn ich den Prozentsatz syrischer Nichtraucher als sehr, sehr niedrig einstufen würde. Hier raucht eigentlich fast jeder. Eine Schachtel Zigaretten kostet etwa 50 SP (ca. 0,80€), die syrische Eigenmarke al-Hamraa ist noch einmal günstiger (schmeckt aber auch so). Das hat auch meinen Zigarettenkonsum enorm in die Höhe schnellen lassen. Die Narjile ist ja schon so etwas wie ein Volkssport und noch zusätzlich eine touristische Einnahmequelle in den Cafés der Altstadt. Besonders im Winter, wenn es auch hier zu kalt zum draußen sitzen wird, dürfte das neue Gesetz sich ganz enorm auf die Einnahmen in der Gastronomie auswirken. Ganz ähnlich wie in Deutschland gibt es für die Gastronomen zwar die Möglichkeit, abgetrennte und ventilierte Raucherräume einzurichten, aber ähnlich wie in Deutschland kommt das für viele aus finanziellen Gründen oder aus Platzmangel ("Ein-Raum-Kneipen") nicht in Frage. Ob man sich hier aus Deutschland die Idee der sogenannten "Raucherclubs" abgucken wird, bleibt abzuwarten. Eingehalten wird das Gesetz in den Cafés aber durchaus, soweit ich das überblicken kann. Taxifahrer scheren sich hingegen deutlich weniger darum, sie qualmen weiter und erlauben das auch ihren Fahrgästen, obwohl sie locker ihre Tageseinnahmen loswären, würden sie erwischt. Ist eine Polizeistreife in Sichtweite, wird der Glimmstängel eben schnell entsorgt.
So oder so, die Bürger nehmen es friedlich hin und laut Syria Today finden viele auch lobende Worte für das neue Gesetz. Mal schauen, wann der Staat auf den Trichter kommt, dass notorische Raucher auch Tabaksteuern in schwindelerregenden Höhen mit nicht viel mehr als einem leisen Murren hinnehmen...
Unsere Nachbarn können uns nicht ausstehen und alle anderen Nachbarn wissen das. Bitteschön, das tangiert mich höchstens peripher. Man könnte sich ja nun einfach so weit wie möglich aus dem Weg gehen und Nachbarn Nachbarn sein lassen. Doch Streit und Zwietracht haben in der syrischen Welt offiziell nichts zu suchen. So müssen wir den offiziellen "Glückwunsch zur Hochzeit"-Besuch über uns ergehen lassen, ein wahrer Spießrutenlauf, besonders für mich, da unsere Wohnung und jeder Handschlag von mir kritisch beäugt wird, denn eine gute Ehefrau für einen syrischen Mann kann so eine dahergelaufene Ausländerin doch bestimmt nicht sein. Ja, nun hätten wir die Herrschaften ja nicht in unser Haus lassen müssen, nicht wahr? Aber wer wäre dann in den Augen der restlichen Nachbarschaft völlig untendurch? Nein, Form und Anstand müssen gewahrt werden, und wir haben uns doch alle ganz dolle lieb.
Aber zurück zur Kleidung, deren Faden ist mir doch glatt abhanden gekommen. Das eigentlich Beispiel: mein Mann sitzt vor dem Haus und trinkt Tee. Er lädt mich ein, ihm Gesellschaft zu leisten. Aber sicher, warum nicht? Nun, meine aktuelle Bekleidung, die ja vorwiegend für im Haus gedacht war, sieht so aus: ein T-Shirt und eine kurze Hose, so etwa bis zu den Knien. Aber wir laufen ja nicht durch die Stadt, ich begebe mich nur direkt vor mein Haus und so belasse ich es dabei. Auch mein Mann stört sich nicht daran. Schon bald kommt eine Nachbarin vorbei, wir haben uns bisher noch nicht gesehen. Sie unterhält sich auf Arabisch mit meinem Mann, fragt wer ich bin, woher ich komme. Mich persönlich zu fragen, wenigstens um herauszufinden ob ich sie verstehe, das kommt ihr nicht in den Sinn. Ich verstehe sie, zwar nicht hundertprozentig, aber mehr als genug. Eine Schande sei es, dass ich so hier sitze, in diesen Klamotten, dieser kurzen Hose, wo mich jeder sehen könne. Aber ich sei ja Ausländerin, da sei das wohl so. Doch er müsse mir schon sagen, wie ich mich zu kleiden habe, denn so gehe das ja nicht. Sprachs und zog von dannen. Nun, ihre Meinung überrascht mich nicht zu sehr. Aber kann man sowas nicht entweder für sich behalten und woanders ablästern, oder es mir ins Gesicht sagen? Ein Grinsen kann ich mir aber nicht verkneifen, als mein Mann sagt "Mach dir nichts draus. Jeder hier weiß, dass sie ihren Mann betrügt." Oh, du wunderschöne Doppelmoral...