Nicht Alltägliches

Sonntag, 24. Oktober 2010

Küchen-Katzen

Küchen-Katzen I

Küchen-Katzen II

Küchen-Katzen III

Küchen-Katzen IV

Das sind Itzy, Bitzy, Freckles und Frockles, im Alter von wenigen Wochen und circa vier bis fünf Monaten, sowie ihre Eltern.

Eigentlich wollte ich ja erst gar nichts über diese Miezen schreiben und Katzencontent vermeiden. Aber mittlerweile sind diese Biester so omnipräsent in meinem Alltag geworden, da muss ich doch mal ihre Geschichte erzählen...

Es begab sich aber zu der Zeit, als der April dem Mai wich, da suchte eine damaszener Straßenkatze nach einem Platz, um ihre Jungen zu gebären. Sie hatte es nicht leicht, denn die damaszener Menschen mochten Katzen nicht besonders, die Kinder ärgerten sie und die Erwachsenen verscheuchten sie, wenn sie auf der Suche nach ein wenig Nahrung ihren Müll durchwühlte. Schließlich fand sie einen Platz, der etwas Ruhe versprach, eine kaum genutzte Küche in einem alten Haus, die voller Plunder und Gerümpel war und herrliche Versteckmöglichkeiten bot. Selbst wenn einmal ein Mensch hier herein käme, dort oben, in die hinterste Ecke des Vorsprungs, hinter lauter Kisten und Kram würde er nicht so leicht kommen können, vielleicht würde er sie nicht einmal entdecken. Der Plan der Straßenkatze ging auf. Sie brachte ihre Kinder ungestört von menschlichen Störenfrieden zur Welt. Leider jedoch war das Leben außerhalb ihres geschützten Kindbettes nicht besser geworden und es war schwer, für die vier Racker, die sie geboren hatte, genug zu essen zu finden. Das klägliche Miauen der hungrigen Babykatzen rief dann auch natürlich die Menschen in diesem Haus auf den Plan. Was die Straßenkatze bis dahin nicht gewusst hatte: sie hatte, indem sie dieses Haus auserwählte, die beste aller möglichen Optionen gewählt, denn hier lebte eine junge Frau, die angesichts einer Katze sofort in Verzückung geriet und nie im Leben einer Mieze, geschweige denn ein paar hilflosen, kläglich maunzenden, mit halbgeschlossenen Augen in die Welt blinzelnden Katzenbabys irgendeinen Schaden zugefügt hätte, nein im Gegenteil, sie nahm sich sofort ihrer an. Die Straßenkatze misstraute ihr zutiefst, ein netter Mensch, das war in etwa eine so sinnvolle Wortkombination wie eine gehorsame Katze. Aber die Frau stellte jeden Tag einen Teller mit Essen in die Küche, nachdem erste Annäherungsversuche mit einem sehr deutlichen Fauchen beantwortet worden waren, und dazu konnte die Straßenkatze nun wirklich nicht nein sagen...

Nach einigen Wochen waren ihre Kleinen nicht mehr ganz so klein und die Straßenkatze entschloss sich, sie ein wenig in die große weite Welt einzuführen. Noch immer misstraute sie der Frau, aber bislang war ja alles gut gegangen mit ihr, und so nahm sie die Kinder mit in den ersten Stock, denn sie waren jetzt schon groß genug, die Treppe alleine zu erklettern. Dort standen vor der Wohnungstür ein paar große Blumenkübel, die bestens zum Schlafen geeignet waren. Die Kleinen bewunderten diese neue Welt, in der die Sonne schien, aber diesen beiden Menschen, die da andauernd an ihnen vorbeikamen, aus der Wohnung kamen oder hineingingen, denen trauten auch sie nicht. Die Mutter hatte ihr Misstrauen gegen Menschen ihnen gegenüber deutlich gemacht. Immer wenn einer dieser Menschen ihnen zu nahe kam, sie sogar anfassen wollte, fauchten sie und dann lachten die Menschen. Denn ihr kleines Kinderfauchen war nun so gar nicht bedrohlich und bedurfte noch einiger Übung.

Drei von den Kleinen hatte die Straßenkatze hier hoch gebracht, aber irgendwann entdeckte die Frau, dass immer noch ein Kätzchen unten in der Küche war, ganz klein, noch immer die Augen halb geschlossen, krähte es lauthals nach der Mutter, nach Futter, nach Aufmerksamkeit. Die Straßenkatze hatte es hier unten gelassen, denn es war noch zu klein, um die Treppen selbst zu erklettern. Vielleicht hätte das Kätzchen nicht überlebt, denn die Mutter musste schon all ihre Reserven für die anderen drei verwenden, aber die Frau gab dem Kleinen Milch und Wurststückchen, und nach ein paar Tagen kletterte sie gar dort hinauf, holte das Kleine und brachte es nach oben zu seiner Familie. Dort vor der Wohnungstür der seltsamen Frau - und dem seltsamen Mann gleichermaßen - blieben die fünf in der nächsten Zeit, sie bekamen jeden Tag Milch, Brot und Wurst, manchmal auch noch tollere Leckereien, die die Menschen selbst nicht aufgegessen hatten, sie bekamen sogar eine Plastikwanne mit einem alten Pullover darin zum Schlafen und einen Faden mit einem Aluminiumball daran zum Spielen. Alle entwickelten sich prächtig, selbst der kleine Nachzügler, der es fast nicht geschafft hätte. Die Annäherungsversuche der Menschen waren den Kindern immer noch unheimlich, die Mutter ließ sowieso niemanden an sich heran. Aber als ihre Kleinen sich langsam an die Menschen gewöhnten, in deren Wohnung gingen, sich streicheln und irgendwann sogar hochheben ließen, da akzeptierte sie das, legte sich aber in die geöffnete Wohnungstür und hielt ein bisschen Wache. Man wusste ja nie...

So ging es die nächsten Monate, die Kleinen wurden immer zutraulicher - nur eines von ihnen schlug nach der Art der Mutter und ließ sich kaum anfassen, aber auf das Essen wollte auch dies nicht verzichten. Die Mutter hingegen kam immer seltener vorbei, schließlich kam sie nur noch alle paar Tage, weil die Frau ihr immer etwas zu essen gab, das sie jetzt schon gegen ihre eigenen Kinder verteidigen musste. Die Vier hingegen beschlossen, bei der netten Frau und dem fast genauso netten Mann zu bleiben, jeden Morgen standen sie schon vor der Tür und maunzten, sobald sie die ersten Geräusche im Innern hörten, sie ließen sich füttern, streicheln (bis auf den einen Einzelgänger), sie spielten und balgten. Abends mochten sie gar nicht raus, aber da blieben die Menschen hart. Im gleichen Bett schlafen, soweit kommt es noch. Die Frau hätte sie bestimmt sogar gelassen, aber der Mann mochte keine Katzenhaare, und Dreck von schmutzigen Katzenfüßen in seinem Bett. Tagsüber aber schmusten die drei (Nummer Vier mochte ja nicht) auf Teufel komm raus mit den Menschen, ganz besonders das Kätzchen, dass wohl nur dank dieser Menschen überlebt hatte. Irgendwann erwachte der Geschlechtstrieb und die Vier bestiegen sich gegenseitig, was aber nur Trockenübungen sein konnten, hatte doch die Straßenkatze es fertiggebracht, tatsächlich vier Jungen und kein einziges Mädchen auf die Welt zu bringen. Einer aber hing dieser Entwicklung etwas hinterher, er versuchte stattdessen, bei seinen Geschwistern zu trinken, was zwar genauso zum Scheitern verurteilt sein musste, aber ihn ebensowenig davon abhielt, es fortzuführen. Zwei von ihnen wurden einmal vergiftet, nach dem sie eine ebenfalls vergiftete Kakerlake gefuttert hatten, aber die Frau und der Mann kümmerten sich auch dann um sie, und nach einem Tag wankten sie nicht mehr halb betäubt umherfallend durch die Gegend...

Viele weitere Geschichten zum Erzählen haben die vier Racker der Frau schon beschert. Aber die Frau fragt sich, was sie nur mit diesen anhänglichen Schmusern machen soll, wenn sie bald von hier fortgeht. Sie mag zwar die Kleinen, aber etwas mehr harte Wirklichkeit täte den Kleinen wohl doch ganz gut, wenn sie sich irgendwann selbst als Straßenkater behaupten sollen. Hätte sie die Grenze beim Futter rausstellen ziehen sollen und die Vier niemals in die Wohnung und auf ihren Schoß lassen? Oder ist es gut, dass sie wenigstens eine Zeit lang ein nettes Heim hatten, wie auch immer es in der Zukunft für sie aussehen mag?

Dieser Beitrag nimmt am ShopChop-Gewinnspiel und am MaunzBlog-Gewinnspiel Teil. Wenn ihr auch was für eure Stubentiger gewinnen wollt,schaut dort mal vorbei! Ich rechne nicht damit, etwas zu gewinnen und "meine" syrischen Fellnasen hätten auch nichts von dem Gewinn, aber ich habe auch zwei Katzen in Deutschland, die im Moment bei meiner Mutter verweilen. Es wär also nicht vergebens ;)

Freitag, 15. Oktober 2010

Ungewöhnlich?

Ein ungewöhnlicher Anblick, der sich mir da beim Überqueren der Straße bietet: eine Frau überquert die Straße in entgegengesetzter Richtung, kommt mir also entgegen. Was ist ungewöhnlich an ihr? Nun, sie trägt Militärdress und mir als Uneingeweihtem macht die mit zahlreichen Abzeichen behängte Schulter den Eindruck, als sei die Dame in der Hierarchie nicht ganz unten angesiedelt. Ich hätte so spontan die Möglichkeit einer weiblichen Militärkarriere in Syrien eher gering eingeschätzt. Jetzt bleibt die Frage zu recherchieren: ist sie tatsächlich gering und diese Frau war eben die Ausnahme? Oder sind Frauen im Militär hier Normalität?

Eine kurze Recherche ergibt: ganz ungewöhnlich scheint es nicht zu sein, das Forward Magazine (das sich aber schon in der Selbstdarstellung als Jubelblatt zu erkennen gibt), schreibt:

In Syria, women were recruited into the military. At one time, there was a parachuting corps composed entirely of women. The secular and socialist-modernist thrust of the Baath cut against Arab and Islamic tradition and, in so doing, maintained a public posture of “open doors” for women in government, in universities, and in the workplace.
Quelle: Forward Magazine, "Why Syrian Women are so important" by Scott C. Davis

Laut Daad Moussa nahmen Frauen in allen syrischen Revolten und Kämpfen eine bedeutende Rolle ein.1 Einen gewissen Bekanntheitsgrad erlangt hat die erste Frau im Rang eines "Captain" oder "Honorary General", Nazek al-Abed (hier mit Bild), die 1920 in der Schlacht von Maysaloon kämpfte.

Zur aktuellen Situation konnte ich leider nichts finden, aber meine Begegnung spricht zumindest dafür, dass es weiterhin Frauen in der syrischen Armee gibt, wenn damit auch noch keine quantitative Aussage getroffen ist.

1Daad Moussa, "Syrian Women and Civil Society", S.4; Beitrag zum Fafo-Seminar "Women's Position in Syrian Society"

Montag, 11. Oktober 2010

Eine syrische Braut II

Hochzeit in Aleppo

Der Aufenthalt in der Kirche währt überraschend kurz. Erstmal begrüßen sich all die feinen Damen und Herren vor der Kirche, ich tippe mal auf hundertfünfzig Leute, die Polizei sagt fünfzig, die Demonstranten dreihundert. In der Kirche geht dann alles rucki-zucki, Braut und Bräutigam nach vorne, kurze Ansprache auf Armenisch, vermutlich sagen jetzt beide "ja", ich sitze zwar weit vorne, sehe und höre aber trotzdem nicht viel. Dann gibt es noch eine Menge weiteren Text, das Paar kniet Stirn an Stirn und bekommt ein Kreuz über die Köpfe gehalten, der Pfarrer (Pastor, Priester?) läuft ein paar mal um den Altar, was bestimmt irgendeine religiöse Bedeutung hat, ich weiß nur nicht, welche. Ich stehe auf, wenn die anderen aufstehen, setze mich, wenn die anderen sich setzen und schon ist es wieder vorbei, das hat keine zwanzig Minuten gedauert.

Länger als die eigentliche Zeremonie dauert dafür das Fotoshooting, das unmittelbar nach dem Ende der Prozedur noch in der Kirche einsetzt. Ich weiß nicht, ich war ja noch nicht auf vielen Hochzeiten, eigentlich nur auf meiner eigenen, aber irgendwie glaube ich, so sollte das nicht sein, zumindest nicht aus der religiösen Sicht betrachtet. Schnell die religiösen Formeln auf sich einprasseln lassen und dann dreimal soviel Zeit für's Bilder machen und zwanzigmal soviel Zeit zum Essen, Trinken, Tanzen. Aber die Option Standesamt, ohne Kirche, die gibt es ja nicht, also muss die Kirche auch die etwas weniger Gottesfürchtigen mitziehen. Jetzt findet jedenfalls das Fotoshooting statt, das anschließend draußen weitergeführt wird, wo jeder der einhundertfünfzig Gäste der Braut, dem Bräutigam, den Trauzeugen, den Eltern und weiß Gott noch wem die Hand schüttelt, Küsschen gibt, einige wenige überreichen auch Geschenke. Wir hängen erstmal in einer anderen Ecke rum, rauchen, sitzen auf Mauervorsprüngen weil unserer beider Füße in diesen Schuhen entsetzlich wehtun. Zwischenzeitlich beobachte ich die Gäste und wundere mich ob der zum Teil extrem kurzen Röcke und engen Kleider, das würde ich selbst in Deutschland nicht zu einer Hochzeit anziehen. Den Vogel schießt ein dürres, langes Mädel in einem hautengen, schwarzen Minikleid ab, das neben fünfundneunzig Prozent der Oberschenkel auch noch, asymmetrisch geschnitten, eine Schulter komplett freilässt. Gerade auf dieser Seite prangt aber auf ihrem Oberarm eine große Jesus-Tätowierung. Seltsam, seltsam. Sie steht aber auch ein bisschen auf verlorenem Posten da, offenbar finde nicht nur ich ihre Aufmachung irgendwie unpassend. Ich bin ja dafür, dass jeder rumlaufen kann, wie er lustig ist, die mittelöstliche Kleiderordnung find ich ja selber sch****, und insgeheim bewundere ich sie sogar ein bisschen für eine so konsequente Missachtung jeder Etikette, aber sowas würde ich doch eher im Alltag als an einem solchen Festtag durchziehen. Wir reihen uns dann erst ganz am Schluss in die Gruppe der nachzügelnden Gratulierer ein. Den für die Braut mitgebrachten Ring geben wir der Bräutigam-Mutter, ihr diesen später zu geben, wir wussten nicht um die Beleibtheit der Braut und es wäre doch peinlich, wenn sie vor noch immer laufender Kamera den Ring nicht auf den Wurstfinger bekommt... Außerdem, das kommt später zum Tragen, könnte sie, also des Bräutigams Mutter, den Ring vielleicht einbehalten und verkaufen, um die Feierlichkeiten zu finanzieren, denn die beleidigte Familie der Braut hat auf Schmollen gestellt und bezahlt die Hochzeit nicht, oder zumindest nicht viel davon. Die Mutter des Bräutigams erkennt man in dem Gewimmel von Leuten problemlos am sauertöpfischen Siebentageregenwetter-Gesicht. Dennoch ist es ein pompöses Fest, und das wird die Familie des Bräutigams noch teuer zu stehen kommen, in die bereitstehende Spendenbox wird jedenfalls nicht viel geworfen.

Nach dem kirchlichen Teil fahren wir in ein Restaurant, um die Vermählung mit gutem Essen, diversen Getränken und viel lauter Musik zu feiern. Das Restaurant ist umwerfend groß, ungezählte lange Tische sind um ein großes Schwimmbecken (!) in der Mitte gestellt. Unsere Tische befinden sich auf der Seite mit der Bühne und den Lautsprechern, was jegliche Unterhaltung für den Rest des Abends verkompliziert. Man muss schon sagen: frecherweise, tauchen Leute auf um sich diesen Teil der Hochzeit zu genehmigen, die vorher wohl noch "unpässlich" waren, nur zum Futtern halt. Naja, das ist bei einer so großen Hochzeit wohl unvermeidlich. Der Animateur des heutigen Abends verkündet die Feierlichkeiten: nicht nur "unsere" Hochzeit gibt es zu beklatschen, sondern auch noch eine weitere Hochzeit, eine Taufe und einen Kindergeburtstag. Jeder dieser freudigen Anlässe wird mit lauter Musik eingeleitet, die betreffenden Personen kommen mit viel Tamtam vor die Bühne, wo ihnen ein fulminantes Feuerwerk blüht. Die Paare finden das toll, das kleine Taufkind, das in einer Art Sänfte herangetragen wird, umgeben von in klassische arabische Kostüme gekleideten Angehörigen (oder Darstellern?), die Plastikschwerter schwingen, findet das Brimborium nicht so toll, es heult sich die Seele aus dem Leib, was die Eltern aber nicht davon abhalten wird, es den ganzen Abend dazubehalten und es bei der unglaublich laut dröhnenden Musik tanzend auf den Schultern herumzuwerfen. Armes Ding.

Uns wird inzwischen der erste Gang aufgetragen, vier verschiedene Dips, einer köstlicher als der andere, Hummus, Baba Ghanoush, so eine Art Gemüse-Salsa und ein zum Versenken leckerer, aber bestimmt nicht Mundwohlgeruch fördernder Knoblauch-Dip, dazu zwei Salate und Brot. Erstmal ein bisschen Brot mit Dip in den Magen, um eine Grundlage für den Arak zu schaffen. Das Geburtstagskind, zehn Jahre alt, aus der Familie des Bräutigams, ist, wie ich später höre, beleidigt, weil es nicht so sehr im Mittelpunkt steht, wie es das zur Feierlichkeit seiner Zweistelligkeit gerne hätte, obwohl es doch vom Entertainer eigens erwähnt und beklatscht wird und nie im Leben selbst ein so rauschendes Fest bekommen hätte. Die Hochzeitspaare tanzen zu lauter, ausgelassener, arabischer Musik, werden von den Mittanzenden auf die Schultern gehievt (für unsere Braut braucht es aber zwei Männer dafür..). Mich fordert glücklicherweise niemand zum Tanzen auf und mein Mann kann stets auf seinen nicht einwandfrei verheilten Beinbruch verweisen. So ergehen wir uns stattdessen im Schlemmen, den Dips folgen kleine Käse- und Fleischsnacks, Pommes, Kebbe Naye, und schließlich Grillfleisch, aber bis dahin bin ich schon so satt, dass ich nicht mehr viel von dem Gegrillten herunterbekomme. Im Großen und Ganzen ist das der Verlauf des Abends, die andern tanzen, wir essen und trinken und gucken den Tänzern zu. An den lauten Musikpegel gewöhnt man sich irgendwann, nur die Rückkopplung dann und wann klingelt in den Ohren; wenn der Entertainer zu nahe kommt benehmen wir uns so unauffällig wie möglich, um nicht auf die Tanzfläche gezogen zu werden. Irgendwann, so nachts um zwei wird es mir langsam zu viel, ich bin müde, die Musik macht Kopfschmerzen, aber ich werde zu noch einer Stunde bleiben überredet, weil es dann sowieso vorbei sein wird. Glücklicherweise stimmt das auch und war keine Hinhaltetaktik, um mich stundenweise auf die nächste "letzte Stunde" zu vertrösten. So geht es dann mit dem Taxi Richtung Hotel und ich falle todmüde ins Bett, die Verabredung für den morgigen Tag zum SIghtseeing bereuend, die mich zum relativ frühen Aufstehen zwingen wird...

Die Aleppo-Ennealogie
Aleppo. Die Touri-Tour II
Aleppinische Taxen
Aleppo. Die Touri-Tour I
Eine syrische Braut
Ein merkwürdiger Besuch
Auf Hotelsuche
Aleppinische Wasserspiele
Eine Zugfahrt, die ist lustig

Freitag, 8. Oktober 2010

Zauberhaft

Trari trara der Herbst ist da! Des Nachts mümmele ich mich schon in die Decke ein, und heute tagsüber nun: kühle Luft, bewölkter Himmel und schließlich Regen. Ein Schauer, der sich bald wieder verzieht, aber immerhin, es ist Wasser. Während der Blick aus dem einen Fenster noch einen dunklen, wolkenverhangenen Himmel preisgibt, schleicht sich durch das zweite Fenster bereits wieder die Sonne. Es wird doch nicht...? Schnell mit der Kamera auf's Dach gestiegen und tatsächlich: ein Regenbogen! Was für eine Atmosphäre, der Blick über die Damaszener Dächer mit den obligatorischen Satellitenschüsseln, frisch durchgespülte Luft, linker Hand ein düsterer Himmel, vom Regenbogen geschmückt, Vögel flattern scharenweise um den Bogen herum, von der anderen Seite her bricht die Sonne durch das Grau und nun setzt der nachmittägliche Muezzin ein und durchdringt mit seinem "Allahu Akbar" die Szenerie. Ich stehe herum, lasse das alles auf mich einwirken, um es für spätere Abrufe auf die Festplatte meines Gehirns einzubrennen, schaue dem Regenbogen beim kräftiger werden und dem zweiten Regenbogen darüber beim Entstehen zu, dann beiden beim Verblassen, und als auch der erste Regenbogen größtenteils verblasst ist und die letzten Regentropfen gefallen sind, hört der Muezzin zu singen auf, als hätte er nur für diese Offenbarung der Schönheit der Natur gesungen - oder als hätte sich die Natur für die Dauer seines Gesangs besonders herausgeputzt. Man muss nichtmal religiös sein, um dieses Schauspiel zauberhaft zu finden!

Regenbogen in Damaskus

Donnerstag, 7. Oktober 2010

Eine syrische Braut I

Nach den ersten beiden Tagen in Aleppo ist es nun soweit: Eine Hochzeit steht ins Haus! Es vermählen sich: ein Mann und eine Frau. Er ist Automechaniker, sie aus einer reichen Familie, die sich mit solch "einfachen Leuten" eher nicht abgibt, jedenfalls ganz bestimmt nicht als Ehegatten für ihr Töchterchen. Doch es kam, wie es für diese beiden kommen musste: sie bringt ihr Auto in seine Werkstatt, er verliebt sich unsterblich in sie und fängt an, sie zu umwerben. Sie ist anfangs etwas unentschlossen, erliegt aber schließlich doch seinem Charme. Die Eltern schreien Zeter und Mordio, ist er doch nicht nur wenig begütert, sondern noch dazu aus dieser seltsamen Familie... der Bruder des in Liebe Entflammten ist, sagen wir, ein komischer Kauz, was auf eine tragische Odyssee durch die Gefängnisse diverser arabischer Länder zurückgeht, nachdem er es gewagt hatte, versehentlich ohne einen Pass in die Nähe der algerischen Grenze zu geraten. Details interessieren aber in dieser gesellschaftlichen Schicht nicht, diese Hochzeit kommt jedenfalls nicht in Frage. Aber die beiden sind unaufhaltsam: es muss geheiratet werden, mit oder ohne Zustimmung, mit oder ohne Unterstützung! So soll es also sein, und sonst wären wir heute auch nicht hier.

Ich bin persönlich ja nicht so die Frau, die sich derbe aufstylen muss. Wenn's mal etwas festlicher sein muss, wird das schwarze Kleid für alle Gelegenheiten aus dem Schrank gezaubert, das in Kombination mit irgendwelchem Klimperschmuck und manchmal auch ein paar buntigen Tüchern für tausendundein Outfit gut ist. Dazu ein bisschen Wimperntusche, und fertig ist die Mia in festlich. Bei ganz besonders festlichen Anlässen, und da zählt eine Hochzeit zweifelsohne dazu, darf mir der Friseur sogar noch ein paar Locken ins Haar drehen. Das nimmt aber leider diesmal den ganzen Vormittag in Anspruch, weil die Friseurin erst mit fast zwei Stunden Verspätung im Salon eintrudelt. Die alte Frau, die irgendwie mit der Familie des Bräutigams verwandt ist, und permanent mit mir kommunizieren möchte, doch stets an der Sprachbarriere scheitert und stattdessen rätselhaft herumgestikuliert und ganz traurig guckt, wenn ich's nicht kapiere, will mich in dieser spracharmen Kommunikation dazu bewegen, Nagellack aufzutragen, wogegen ich mich aber verwehre. Zwar bin ich nun schon spät dran, doch noch steht dem Beginn der Feierlichkeiten meinerseits die klassische Frauenproblematik im Wege: ich habe keine passenden Schuhe! Dem wird im Suq Abhilfe geschaffen, zum Glück in Begleitung meines Mannes und nicht der Frauen, die mir ihre Dresscodes aufdrängen wollen, und ich eile zum Haus des Bräutigams zurück. Das Kamerateam ist schon da, und ich verschwinde geschwind im Schlafzimmer, um mich in die festliche Mia zu verwandeln, die bisher für alle Gelegenheiten als angebracht erachtet wurde. Wieder erscheint die alte Frau und will mir irgendetwas mitteilen, aber ich habe keinen blassen Schimmer, was das sein könnte. Es stellt sich dann heraus, dass das Kamerateam ins Schlafzimmer will, weil dort die "Dreharbeiten" beginnen. Na, da hätt' man ja auch mal jemand reinschicken können, der sich mir verständlich machen kann, dann hätte ich den Verkehr auch nicht aufgehalten. Aber nun blockiere ich weiterhin das Schlafzimmer, weil man mich zum Auflegen von Rouge nötigen will, und "Nötigung" ist auch schon das passende Wort für diese anhaltenden Versuche, mich in die passende Form zu bringen. Zu blass, da muss doch Rouge drauf (dann müsste ich aber jeden freien Zentimeter Haut anmalen, ich bin nämlich vom Scheitel bis zu den Zehen weiß wie ein Höhlenbewohner) und die Nägel anmalen, und besser diese Strümpfe als jene... Himmel! So seh ich halt aus, wenn's nicht recht ist, geh ich halt nicht auf die Hochzeit. Gemütlich alleine im Hotel rumliegen klingt eigentlich auch ganz verlockend.

Aber natürlich bleibe ich, wenn auch nicht ausreichend bemalt, sitze auf dem Sofa und beobachte Cola schlürfend das Geschehen. Aufgespielt wird eine wahrlich unterhaltsame Tradition, die, so wird mir auf Nachfrage erklärt, tatsächlich arabisch sei. Und zwar wird der Bräutigam verhauen! Erstmal ziehen die (männlichen) Gäste ihm die Hose runter und das Hemd aus und lassen dabei eine ganze Horde (selbstverständlich einigermaßen gemäßigter) Schläge auf ihn einprasseln. Dann wird ihm nach und nach der Hochzeitsanzug angezugen, doch weiterhin fängt er sich dabei eine gute Portion Schläge ein, wobei die Kamera stets mitten drauf hält. Der Lärmpegel ist enorm, laute Musik spielt im Hintergrund, die Männer johlen, die Frauen trillern. Der erfragte Hintergrund dieser Tradition ist, dass dem Mann, ausgehend von der Annahme, dass er in dieser Nacht noch eine Menge körperliche Freuden erleben wird, zunächst eine Portion Schmerz verpasst bekommt. Ob diese Idee sich aus Gutwillen - auf dass ihm nach dem Schmerz der Genuss doppelt süß vorkomme - oder aus Neid speist, sei dahingestellt. Nachdem der Bräutigam vollständig angezogen ist, sitzen die Verwandten und Freunde noch eine Weile herum und unterhalten sich bei Bier, Erfrischungsgetränken und Knabbereien. Die Frauen ziehen schließlich weiter ins Haus der Braut, dazu gehöre also auch ich. Ich hänge mich an eine Frau, die ein wenig Englisch spricht, um nicht irgendwo verlorenzugehen und mit dem Taxi erreichen wir das Haus. Man merkt schnell, dass hier etwas mehr Geld zur Verfügung stand: diverse mannshohe Blumengebinde, die den Hintergrund für Fotoshootings bilden, Platten mit zahlreichen kunstvoll angerichteten Häppchen, höchstwahrscheinlich von einem Cateringservice. Allein die Wohnung an sich, wenn man sich alle Deko etc. wegdenkt, ist mit derart teurem (oder zumindest teuer aussehendem) Mobiliar gefüllt, dass der Automechniker für einen dieser Stühle wahrscheinlich ein halbes Jahr arbeiten müsste. Wir machen vor der Blumendeko der Braut unsere Aufwartung und lassen Bilder schießen. Die Trauzeugin, Schwester des Bräutigams, neigt mehr als ich zum Aufstylen und stiehlt der Braut im Grunde die ganze Show. Ehrlicherweise muss man sagen, dass sie wohl verschlafen aus dem Bett fallend schon um einiges schöner wäre als die nicht mit übermäßiger Schönheit gesegnete Braut. Aber muss man sich dann noch so herausputzen? Wenn das mal nicht zu Zickenkrieg führt... heute bleibt es friedlich, aber sowas hinterlässt Spuren in einem Frauenherzen.

Der Aufenthalt im Haus der Braut währt vergleichsweise kurz, und nun geht es in der hupenden Autokolonne zur Kirche...

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Mittwoch, 6. Oktober 2010

Feiertag!

Heute ist ein Feiertag! Die Geschäfte haben geöffnet, aber alle Behörden haben dicht, die Beamten frei. Was gibt es denn zu feiern? Der Nationalfeiertag ist für dieses Jahr längst vorbei, religiöse Feste stehen auch noch nicht an. Aber: Heute vor 37 Jahren, also am sechsten Oktober 1973, haben Syrien und Ägypten Israel angegriffen. Zwar haben sie letzten Endes verloren, konnten anfangs aber einige militärische Erfolge für sich verbuchen. Das reichte, um sich psychologisch als Gewinner zu fühlen und den sechsten Oktober nun stets als Feiertag zu begehen. Außerdem wurde der alte Löwe am sechsten Oktober vor 80 Jahren, also 1930, geboren. Das ist zwar nicht der Anlass für den Feiertag, aber doch sicher eine willkommene Koinzidenz.

Um einen solchen Tag gebührend zu würdigen, habe ich mich in meine beste Montur geworfen und in Schlabbershirt und Shorts das Klo geputzt ;).

Mittwoch, 29. September 2010

Smog-Alarm

Die letzten Tage hat hier eine widerliche Wolke in der Luft gehangen, die einem das Atmen schwer werden lässt, tagsüber die Sonne wie hinter einem Schleier versteckt und den Nachthimmel rötlich schimmern lässt, so dass es nie dunkler als zur Dämmerung wird. In der Wetteranzeige hier unten stand immer nur in bedrohlich dunklen Großbuchstaben "DUST" (Staub) oder "HAZE" (Dunst). Wodurch diese Wolke nun genau hervorgerufen wurde, weiß ich nicht. Ich hatte das Phänomen ja zunächst mal unter "Smog" abgehakt, aber macht Smog (oder Staub oder Dunst) den Nachthimmel rot? Vielleicht ist es ja auch sowas ähnliches wie die schwarze Wolke in Kairo, die jedes Jahr um diese Zeit die Stadt heimsucht. Was auch immer das genau war, es scheint nun wieder vorbei zu sein. Man kann atmen und der Himmel ist blau. Hoffentlich bleibt das so.

Samstag, 25. September 2010

Auf Hotelsuche

Durchgerüttelt von der Zugfahrt gilt es als Nächstes, ein Hotel zu finden. Zwar haben wir telefonisch schon ein paar Hotels aus dem Lonely Planet durchgeklingelt, um uns preislich ein wenig zu orientieren, aber in unserer Preisklasse guckt man sich das Zimmer besser auch nochmal an, bevor man es tatsächlich bucht. Nicht weit entfernt vom Bahnhof gibt es praktischerweise ein Viertel, in dem die Hotels wie eine Pilzkolonie Reih an Reih stehen. Nach einem Kaffee zum Aufwachen führt uns unser erster Versuch in ein Hotel, das 1200 SP pro Nacht für ein Doppelzimmer haben will, zwanzig Euro. Klingt annehmbar. Auch das Zimmer sieht nett aus, sauber, mit Balkon, Kühlschrank, Klimaanlage und eigenem Badezimmer. Aber erstmal wollen wir uns vergleichshalber noch ein paar andere Hotels in der Straße anschauen. Leider gibt es da nicht viel zu sehen, wie sich zeigen wird: das Hostel hat angeblich kein Zimmer frei (wahrscheinlich wollen sie nur Ausländer, ich hätte fragen müssen, nicht mein Mann), das nächste Hotel riecht schon auf dem Weg zum Zimmer so unangenehm, dass wir in das Zimmer selbst gar nicht erst reinschauen. Ein anderes Mal liegt das Zimmer so nah am Straßenlärm, dass an Schlaf nicht zu denken wäre. Das nächste Zimmer ist ganz hübsch, aber der Hotelier hat uns einfach mit dem Schlüssel hochgeschickt, ohne selbst mitzugehen, obwohl das Zimmer noch vermietet ist und Rucksäcke drin herumstehen. Wir sind so nett und nehmen nichts mit, aber dies Hotel fällt auch flach, wenn da jeder Hanswurst jederzeit in unser Zimmer spazieren kann.

Langsam erwacht die Stadt und die ersten Cafés machen auf. Da heißt es erstmal: Frühstückszeit! Mir wird nahegelegt, doch ganz dringend unbedingt Mammuniye zu probieren, das sei eine Spezialität aus Aleppo und ganz, ganz toll lecker. Bei solchen Ansagen bin ich ja immer skeptisch, meist führt das dazu, dass ich mir fünf Minuten den Mund mit Wasser ausspülen muss, um irgendeinen grauseligen Geschmack rauszubekommen. Aber diesmal ist tatsächlich was dran am Lobpreis. Zugegeben, es ist eine seltsame Kombination, und wohl nichts für jeden Tag, aber heute schmeckt es mir ausgesprochen gut. Mammuniye ist eine Art Couscous- oder Burghulbrei, bis zum Ohrenschlackern gezuckert und mit einem Klecks Sahne versehen, auch wenn das eine neumodische Spielerei sei. Damit man aber keinen Überzuckerungsanfall bekommt, wird zugleich ein Teller mit Mushallal-Käse, serviert, Käsefäden wie Spaghetti, ziemlich salzig. Einen Happen Brot mit süßem Getreidebrei, einen Happen Brot mit salzigem Käse, süß, salzig, süß, salzig... klingt bescheuert, ist aber sehr, sehr lecker!

Derart gestärkt, wollen wir unsere Hotelsuche beenden und kehren zurück zum allerersten Hotel, das wir ins Auge gefasst hatten. Das Gepäck wird ins Zimmer gebracht, mein Mann geht nur noch mal kurz nach unten, um den Papierkram zu regeln. Schon die erste Überraschung für mich: das Bad sieht sauber aus, aber nur solange man den Klodeckel zulässt. Pfuibah. Also erstmal aufs Bett werfen und ein bisschen von der Klimaanlage bepusten lassen. Aber da kommt schon wieder Männe zurück und meint, wir müssten erstmal zur Polizeistation, der Hotelier mag unsere Ehepapiere lieber mit einem Stempel von der Touristenpolizei, sicher ist sicher. Dass auch ja nicht der leiseste Zweifel besteht, in seinem Hotel könne sich etwas so Perverses abspielen wie ein Mann und eine Frau in einem Zimmer (in zwei Einzelbetten), ohne den Segen des Allerhöchsten. "Können wir nicht wenigstens erstmal fünfzehn Minuten die Füße hochlegen?" - "Hab ich ihn auch gefragt, aber er meinte, die sei ja gleich um die Ecke, das könnten wir ja schnell erledigen." Seufz, also Schuhe wieder an, Körper in vertikale Position und weiter geht's. Beim Hinausgehen auf den Zustand der Toilette angesprochen motzt der zuständige Bursche nur herum, er habe ja alles saubergemacht, das könne ja gar nicht sein. Der Hotelier schnauzt ihn aber entsprechend an, so dass er sich ans Werk macht. Über den Weg traue ich dem Bub trotzdem keinen Meter, gut, dass ich einen Packen Sagrotantücher dabei habe.

Der aus dem Schlaf geklingelte Polizist hört sich unser Anliegen an, wird aber kaum richtig wach dabei, der braucht ne ganze Kanne Kaffee, intravenös, sofort. Jedenfalls meint er, die Papiere sind alle in bester Ordnung, kirchliche Eheurkunde, Bearbeitungsnummer der behördlichen Papiere, Reisepässe, Familienbuch, Wohnortbescheinigung, Mietvertrag, wir haben alles dabei, was man sich vorstellen kann. Ob er denn "in bester Ordnung" bitte durch einen Stempel bestätigen möge? Ach was, die Papiere sind ja ok, wenn das dem Hotelier nicht gefällt, soll er ihn persönlich anrufen. Ich glaube, herauszuhören, dass die beiden sich kennen, und diese Bekanntschaft nicht unbedingt freundschaftliche Wurzeln geschlagen hat. Also wieder auf den Weg zurück. Aber halt, im gleichen Gebäude wie die Polizei ist ja auch noch ein Hotel. Da kann man ja mal kurz gucken. Das sieht ja auch alles ganz anständig aus, kostet 200 SP weniger pro Nacht, das Klo ist sauber, die Polizei ist gleich in Reichweite, nur einen Balkon hat es hier nicht. Aber der ist nun auch nicht so essenziell.

Zurück im vorigen Hotel bemühe ich mich sehr, ein fürchterlich betrübtes Gesicht zu machen, während mein Mann dem Hotelier erzählt, dass der Polizist uns keinen Stempel geben konnte, weil die Papiere ohne behördliche Bescheinigung so nicht ok seien, und wir dann eben bei Bekannten unterkommen müssten. Ich bin gespannt, was bei dem Hotelier überwiegt, der Wunsch nach ordentlichen Papieren, oder der Wunsch, zahlende Kunden zu behalten. Er lässt uns denn aber tatsächlich ziehen, ohne irgendwelche Tricks zu erfinden, warum wir doch bleiben können. Ich glaube ja sowieso, dass er uns nicht da haben wollte. Ob er nun keine Ausländer mag, oder keine Christen, oder einfach nur unsere Nasen nicht, aber irgendwas mochte er jedenfalls nicht. Mir wurscht, wir ziehen ins andere Hotel, legen endlich unsere Füße hoch und entspannen uns ein bisschen. Mehr als ein halbes Stündchen ist uns leider nicht vergönnt, dann stehen die ersten Verwandtschafts-Kaffeetrink-Besuche an, denen man nicht entgehen kann...

Die Aleppo-Ennealogie
Aleppo. Die Touri-Tour II
Aleppinische Taxen
Aleppo. Die Touri-Tour I
Eine syrische Braut II
Eine syrische Braut I
Ein merkwürdiger Besuch
Aleppinische Wasserspiele
Eine Zugfahrt, die ist lustig

Das bizzelt

Brotzeit: Ein Sandwich mit Wurst und Paprika. Eigentlich gibt's ja meistens grüne Paprika, aber diesmal haben wir nur rote - weil ich auf den Einkaufszettel nur "rote Paprika" geschrieben und das "Gewürz" vergessen habe, das ich eigentlich haben wollte, hat unser 'Junge für alles' eben genau das mitgebracht: rote Paprika. Haben wir auch schon mehrmals von gegessen und sie war sehr lecker, schön süß. Diesmal aber schiebt mein Mann die Paprika beiseite und meint: "Viel zu scharf!". "Hm", mache ich, und kratze mich an der Nase. Denken tue ich: Der stellt sich wieder an, bisher war die ihm auch nicht zu scharf, und überhaupt, mehr als ein Scoville kann er ja sowieso nicht ab ohne zu jammern. Meine Nase fühlt sich ein bisschen komisch an, also kratze ich sie grad nochmal. Langsam breitet sich ein seltsames Gefühl unterhalb meiner Nasenflügel aus, was ist denn da nur los? In den nächsten zehn Sekunden verwandelt sich dieses undefinierbare Gefühl in ein höllisches Brennen und mein Mann guckt mich an, als wäre mir der Beelzebub in die Glieder gefahren, als ich aufspringe und schwer atmend zum Waschbecken stürze. Ich hab's kapiert: diese Paprika war tatsächlich anders als die anderen, da hat sich ein Exemplar in die Einkaufstüte verirrt, das lieber eine Peperoni geworden wäre. Und diese feurige Essenz, die ja noch an meinen Hände bappt, habe ich gerade intensiv auf dem empfindlichen Stückchen Haut zwischen Nase und Oberlippe verrieben.

Aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaahhhhhhhhhhhhhhhh!

Wasser hilft natürlich überhaupt nicht und so versuche ich mich erst mit einer Anti-Sonnenbrandcreme, weil mir grad nichts besseres einfällt, aber auch das lindert das Brennen mitten in meinem Gesicht kein bisschen. Als nächstes kommt Olivenöl dran, Schärfe ist ja fettlöslich und nicht wasserlöslich, das ist mir inzwischen wieder eingefallen. Es wird zwar besser aber nur marginal. Die nächsten Viertelstunde habe ich also Olivenöl unter der Nase und presse außerdem einen in ein Küchentuch gewickelten Eiswürfel gegen den Brandherd. Mein einziger Trost ist, dass es, wenn es erstmal vorüber ist, eine gute Anekdote abgeben wird. Anekdoten zeichnen sich ja oftmals dadurch aus, dass sie zum Zeitpunkt des Entstehens überhaupt nicht lustig waren. Mein Mann tröstet mich, indem er mich daran erinnert, dass es noch ungünstigere Stellen gegeben hätte, sich zu kratzen. Das sei ihm als kleiner Junge tatsächlich mal passiert, als er der Mutter in der Küche geholfen hat, Paprikapaste herzustellen und dann auf Toilette gehen musste. Noch so eine Anekdote, die er an jenem Tage bestimmt alles andere als lustig gefunden hatte...

Es ging dann irgendwann wieder, aber die restlichen Paprika werde ich behandeln, als wären sie biologische Kampfstoffe, mit Handschuhen und Schutzbrille!

Mittwoch, 22. September 2010

Eine Zugfahrt, die ist lustig

Um nach Aleppo zu gelangen, gibt es diverse Möglichkeiten: Taxi, Bus, Zug, Flugzeug... Wir entscheiden uns für den Zug, das ist preislich im grünen Bereich und wir können die Fahrt über schlafen. Zunächst mal benötigen wir aber Fahrkarten. Also auf zur Hijaz-Station im Zentrum, dort fahren zwar schon lange keine Züge mehr (im Moment werden dort Bücher verkauft, alle voran "Die Protokolle der Weisen von Zion" und "Mein Kampf" in ihren arabischen Übersetzugen), aber man kann dort immer noch Fahrkarten kaufen. Jaha, aber nur bis fünf Uhr nachmittags sagt der Wachmann und versucht, wichtig auszusehen. Blick auf die Uhr, es ist halb sechs. Also müssen wir rausfahren zum richtigen Bahnhof und unsere Karten dort kaufen. Für unschlagbare 300 SP (5€) pro Person gibt es ein Ticket für den Schlafwagen, mit einem Sitzplatz ist man schon beim halben Preis dabei. 2 Euro 50 für eine Fahrt durch das halbe Land. Da könnte sich die Deutsche Bahn mal ein Beispiel dran nehmen. Weniger beispielhaft ist die Schlafwagenpolitik, man muss nämlich erstmal nachweisen, dass man das Recht hat, eine Nacht zu zweit in einem Zimmer zu verbringen. Glücklicherweise akzeptiert die Dame unsere kirchliche Heiratsurkunde in Kombination mit der Bearbeitungsnummer unserer behördlichen Unterlagen. Um Mitternacht wird unser Zug abfahren, und nach sechs Stunden Fahrt Aleppo erreichen. Nein, halt, Genauigkeit muss sein, Abfahrt 00.01 Uhr, Ankunft 5.57 Uhr.

Um Mitternacht stehen wir also wieder am Bahnhof und versuchen, herauszufinden, wo unser Wagon ist. Da ist sehr unterhaltsam, denn mit der ausländisch aussehenden Frau an seiner Seite fällt auch mein Mann sofort in die Gedankenschublade "Ausländer" und wenn er, auf Englisch oder auf Baby-Arabisch angesprochen, darauf hinweist, dass er Syrer ist, gucken die Leute wie ein Bauklotz und glauben es kaum. EIn witziges Schauspiel, dass sich noch vielfach wiederholen wird. Ein Mann schickt uns dann ganz ans Ende des Zuges, aber dort ist, mal abgesehen vom Fahrerwagon, nichts. Auf Nachfrage werden wir diesmal wieder ans Ende des Zuges geschickt, nur eben an das andere. Der Zug ist nicht eben kurz und wir schleppen doch ein paar Gepäckstücke mit uns herum, mein Stimmungsbarometer steht auf leicht gereizt. Man kann mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass Wegweiser Nummer eins genau wusste, dass er nicht genau weiß, wo wir hinmüssen. Aber bevor er das je zugeben würde, schickt er uns lieber irgendwo hin, vielleicht stimmt's ja. Irgendwann finden wir aber unser Zimmerchen, zwei Betten, eins über dem anderen, ein Schrank, eine Ablage, spartanisch aber zweckdienlich.

Die Fahrt beginnt pünktlich. Ich habe mich auf der unteren Pritsche niedergelassen und meinen Mann, der stets beteuerte, ihm sei das völlig gleich, ob er unten oder oben schläft, direkt unter die Klimaanlage verbannt. Später wird er sich darüber beklagen, und vielleicht ist die Klimaanlage auch die Ursache seiner Erkältung, die er gerade mit sich herumträgt, aber er hätte ja nur mal was sagen brauchen und wir hätten getauscht, mir kann so eine Klimaanlage nix anhaben. Nee, lieber erst schweigen und dann krank werden. Männer. Der Zug aber ist schon längst krank, scheinbar chronischer Schluckauf. Das Geruckel macht jedenfalls keinen gesunden Eindruck. Alle halbe Stunde oder so bleibt er stehen, mal nur für ein paar Sekunden, mal mehrere Minuten, dann fährt er mühsam wieder an, ruckelt dabei eifrig hin und her, so dass ich immer fürchte, dass er gleich von den Gleisen kippt. Schon jetzt steht fest: auf der Rückfahrt wird das Verkehrsmittel gewechselt (wir werden schließlich mit dem Bus fahren, das geht schneller und ruckelfreier). Anfangs schaue ich noch in die Sterne hinaus, und - nein! - ich sehe tatsächlich eine Sternschnuppe. Schnell was wünschen! Diese Kombination Fernzug - Fremde - Schlafwagen - Nacht - Sternschnuppe löst ein eigenartiges Gefühl aus, nicht romantisch oder so, eher so eine Ahnung, als wäre dies der optimale Augenblick, um eine geniale Inspiration zu haben, die in einen Jahrhundertroman mündet. Vielleicht hat Virginia Woolf mal so eine Fahrt gemacht. Aber ich bin kein Jahrhundertschriftsteller und so bleibt es bei diesem Blogeintrag. Über solchen Gedanken schlafe ich ein und auch wenn es ein erschöpfender, durchgerüttelter Halbschlaf ist, wache ich erst wieder um sechs Uhr richtig auf, als der Schaffner an die Tür klopft, um uns vor der Ankunft zu wecken. Es dauert dann doch noch bis sieben, bis wir wirklich da sind. In der Zwischenzeit stehe ich mit einer Zigarette am Fenster und blinzele in den Morgen. Ein alter Wagen mit bäuerlich gekleideten Frauen zuckelt in einiger Entfernung über die Klippen. Mein Mann setzt dem Saudi (sieht zumindest der Kleidung nach so aus) aus der Nebenkabine wiederum auseinander, dass er kein Ausländer ist und Arabisch sprechen kann. Später neugieriges Getuschel: Der spricht Englisch mit der Frau. Und die Frau raucht. Ja, er selbst ja auch, aber wenn Frauen rauchen ist das offenbar irgendwie obszön. Ich komme mir ein bisschen vor wie ein Paradiesvogel, dabei bin ich höchst dezent und bedeckt gekleidet. Schon in Damaskus bin ich immer "irgendwie anders", aber die Damaszener sind ja noch am ehesten "kosmopolit" in diesem Land. Zum Glück geht es nach Aleppo, noch immer eine Großstadt, wenn auch wesentlich konservativer, und nicht in irgendein verschlafenes dörfliches Nest.

Gedankenunterbrechung: wir sind da! Alle aussteigen!

Ankunft in Aleppo

Die Aleppo-Ennealogie
Aleppo. Die Touri-Tour II
Aleppinische Taxen
Aleppo. Die Touri-Tour I
Eine syrische Braut II
Eine syrische Braut I
Ein merkwürdiger Besuch
Auf Hotelsuche
Aleppinische Wasserspiele

Watching The Wheels

... in Damaskus

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