Mittwoch, 29. September 2010
Müsli-Parade
1. Warum bist Du Blogger geworden?
Ich lebe seit einer Weile in Syrien, werde aber auch wieder nach Deutschland zurückkehren, so dass ich mich nicht um einen syrischen Pass oder eine Arbeitserlaubnis bemühen werde. Das heißt wiederum, dass ich hier im Moment nicht besonders viel zu tun habe. Nicht besonders viel zu tun zu haben bin ich aber kaum gewohnt, also habe ich mir gedacht, ich könnte mich ja damit beschäftigen, all die interessanten, lustigen, traurigen, irgendwie erwähnenswerten Erlebnisse und alles, was mir so am Herzen liegt, aufzuschreiben. Und siehe da, schon habe ich was zu tun :)
2. Was bedeutet es Dir ein Blogger zu sein?
Wie schon in Frage 1 angedeutet: vorrangig Beschäftigungstherapie. Wenn mir manchmal die Existenz in der Fremde im Allgemeinen oder ein blödes Erlebnis im Speziellen auf der Seele lasten, ist es auch noch meine eigene Psychotherapie, denn niedergeschrieben sieht die Welt für mich oft schon weniger dramatisch aus und eine blöde Situation wird, schriftlich ins Lächerliche gezogen, nur noch halb so wild und beschmunzelnswert. Wie bei den meisten Bloggern steckt bestimmt schließlich auch ein bisschen ein narzisstisches Mitteilungsbedürfnis dahinter, dass durch ansteigende Klickzahlen und positive Kommentare Befriedigung erfährt.
3. Was möchtest Du anderen mit deinem Blog mitteilen?
Ich teile hier vorrangig meinen Alltag mit, also eigentlich meistens nichts spektakuläres. Trotzdem lesen ein paar Leute gerne mit, denn ein syrischer Alltag unterscheidet sich doch hier und da von einem deutschen Alltag. Das Leben in einem anderen Land, die damit verbundenen kulturellen Unterschiede im großen wie im kleinen, allerhand Erlebnisse, dazu touristische Ansichten etc. Für Leute, die selbst planen, nach Syrien zu gehen, zumindest für eine Weile, oder solche die schon hier sind oder schonmal hier waren, könnten interessante oder gar nützliche Sachen dabei sein, auch Wiedererkennungseffekte. Eigentlich habe ich aber keine Mitteilungs-Agenda, ich schreibe, wonach mir gerade ist (mit einigen Abstrichen bei heiklen Thematiken...), interessanter wäre doch die Frage, warum jemand das eigentlich liest.
4.Welche Blogsoftware nutzt Du und warum genau diese?
Ich habe mich nach Konsultation einiger Kommentare und "Best Of"-Listen für twoday.net entschieden, und bin soweit ganz zufrieden. Alles ist recht einfach zu bedienen mit ein paar rudimentären HTML-Kenntnissen. Ein paar mehr Features wären toll, aber für umsonst kann ich mich nicht beklagen. Das oft gehörte "Wordpress" ist bestimmt eine gute Alternative, aber so tief möchte ich mich vorerst nicht in die Materie reinknieen.
5. Wie wird die Bloggerwelt deiner Meinung nach in 5 Jahren aussehen?
Gelassener. Weniger Selbstbestätigung heischend. Von den analogen Medien weniger verteufelt. Halt ein ganz normaler Teil der Medienwelt, der weder der Menschheit das Paradies bringt, noch sie dem Untergang zuführt. Wie so ziemlich alles nach einer gewissen Zeit der Existenz stärker kommerzialisiert. Ob das schon in fünf Jahren gilt oder erst später, sei dahingestellt. So genau ist mein Kaffeesatz da leider nicht.
Smog-Alarm
Dienstag, 28. September 2010
Schicht im Schacht
Spaß mit Keywords
28 Sep..........03:11:42..........www.google.de...........asiatin kaufen
Spaß mit Keywords IV
Spaß mit Keywords III
Spaß mit Keywords II
Sonntag, 26. September 2010
Shopping
Später dann beim Trauben-Kauf: "Madame oder ledig?" Ich weise auf meinen Ring. "Amerikanerin?" - "Nein, Deutsche. Aber mein Mann ist Syrer." Ein Satz, wie eine Lanze vor mir hergetragen, dessen Metaebene dem syrischen Mann zuflüstert 'Das ist eine ehrbare Frau, Finger weg'. Zudem macht er mich auch irgendwie syrisch, wie auch dieser Obstverkäufer mir nun wieder bestätigt: "Na dann sind sie auch Syrerin!" Tolle Sache :)
Schließlich noch zum Alban wa-Ajban (in etwa: Milch- und Käsehändler, gibt aber mehr als nur das dort). Der Mann dort ist einer der überraschend netten Sorte, er kennt meinen Mann, das hilft vielleicht, dumme Sprüche zu vermeiden. Aber er denkt auch mit. Mein mittelprächtiges Arabisch reicht meist zum Einkaufen, aber wenn irgendwas unklar ist, finden wir zusammen raus, was ich meine. Er geht auch immer auf Nummer sicher, dass ich das richtige bekomme. Wenn ich zum Beispiel "Laban" haben will (Joghurt), fragt er zweimal nach, um sicherzugehen, dass ich nicht vielleicht "Labneh" (Quark?) meine. Und soweit ich das überblicken kann, hat er mich auch noch nie beim Preis beschissen, was schon als echte Sensation durchgehen kann.
Nach dem Einkaufen gab es dann mittags einen Hühnernudeltopf, zugleich magenfreundlich (für mich) und gut bei Erkältung (für's Männe).
Linktipp III
via Fefes Blog
Volker Perthes: Orientalische Promenaden
Der Nahe und Mittlere Osten im Umbruch
In diesem Buch beschäftigt sich der Autor vorwiegend mit den "Schlüssel" - Ländern Ägypten, Iran und Saudi-Arabien. Ebenfalls zur Sprache kommen Israel/Palästina und Kurdistan. Es wird ein aktuelles Bild der Länder gezeichnet, sozial, ökonomisch, politisch, das recht nah an die Realität heranreichen dürfte. Wie schon in seinem Buch "Geheime Gärten" glänzen der Autor und somit das Buch durch fundiertes Fachwissen kombiniert mit gutem Schreibstil, der das Lesen zu einer Freude macht. Eine Besonderheit dieses Buches ist, dass der Autor zahlreiche Menschen zu Wort kommen lässt, denen er auf seinen Reisen begegnet ist. Keinesfalls nur die hohen Tiere, sondern ebenso "Menschen wie du und ich", die ihre Sicht der Dinge darstellen: Studenten, Händler, Geistliche, Politiker.
Insgesamt liest sich das Buch sehr gut, man erfährt viel Neues über die Region und eben auch die persönlichen Sichtweisen der Einwohner ihrer Länder auf diverse Themen. Durch die Gespräche nimmt die Faktenfülle ab, so dass man das Buch an ein oder zwei Abenden weglesen kann.
Samstag, 25. September 2010
Auf Hotelsuche
Langsam erwacht die Stadt und die ersten Cafés machen auf. Da heißt es erstmal: Frühstückszeit! Mir wird nahegelegt, doch ganz dringend unbedingt Mammuniye zu probieren, das sei eine Spezialität aus Aleppo und ganz, ganz toll lecker. Bei solchen Ansagen bin ich ja immer skeptisch, meist führt das dazu, dass ich mir fünf Minuten den Mund mit Wasser ausspülen muss, um irgendeinen grauseligen Geschmack rauszubekommen. Aber diesmal ist tatsächlich was dran am Lobpreis. Zugegeben, es ist eine seltsame Kombination, und wohl nichts für jeden Tag, aber heute schmeckt es mir ausgesprochen gut. Mammuniye ist eine Art Couscous- oder Burghulbrei, bis zum Ohrenschlackern gezuckert und mit einem Klecks Sahne versehen, auch wenn das eine neumodische Spielerei sei. Damit man aber keinen Überzuckerungsanfall bekommt, wird zugleich ein Teller mit Mushallal-Käse, serviert, Käsefäden wie Spaghetti, ziemlich salzig. Einen Happen Brot mit süßem Getreidebrei, einen Happen Brot mit salzigem Käse, süß, salzig, süß, salzig... klingt bescheuert, ist aber sehr, sehr lecker!
Derart gestärkt, wollen wir unsere Hotelsuche beenden und kehren zurück zum allerersten Hotel, das wir ins Auge gefasst hatten. Das Gepäck wird ins Zimmer gebracht, mein Mann geht nur noch mal kurz nach unten, um den Papierkram zu regeln. Schon die erste Überraschung für mich: das Bad sieht sauber aus, aber nur solange man den Klodeckel zulässt. Pfuibah. Also erstmal aufs Bett werfen und ein bisschen von der Klimaanlage bepusten lassen. Aber da kommt schon wieder Männe zurück und meint, wir müssten erstmal zur Polizeistation, der Hotelier mag unsere Ehepapiere lieber mit einem Stempel von der Touristenpolizei, sicher ist sicher. Dass auch ja nicht der leiseste Zweifel besteht, in seinem Hotel könne sich etwas so Perverses abspielen wie ein Mann und eine Frau in einem Zimmer (in zwei Einzelbetten), ohne den Segen des Allerhöchsten. "Können wir nicht wenigstens erstmal fünfzehn Minuten die Füße hochlegen?" - "Hab ich ihn auch gefragt, aber er meinte, die sei ja gleich um die Ecke, das könnten wir ja schnell erledigen." Seufz, also Schuhe wieder an, Körper in vertikale Position und weiter geht's. Beim Hinausgehen auf den Zustand der Toilette angesprochen motzt der zuständige Bursche nur herum, er habe ja alles saubergemacht, das könne ja gar nicht sein. Der Hotelier schnauzt ihn aber entsprechend an, so dass er sich ans Werk macht. Über den Weg traue ich dem Bub trotzdem keinen Meter, gut, dass ich einen Packen Sagrotantücher dabei habe.
Der aus dem Schlaf geklingelte Polizist hört sich unser Anliegen an, wird aber kaum richtig wach dabei, der braucht ne ganze Kanne Kaffee, intravenös, sofort. Jedenfalls meint er, die Papiere sind alle in bester Ordnung, kirchliche Eheurkunde, Bearbeitungsnummer der behördlichen Papiere, Reisepässe, Familienbuch, Wohnortbescheinigung, Mietvertrag, wir haben alles dabei, was man sich vorstellen kann. Ob er denn "in bester Ordnung" bitte durch einen Stempel bestätigen möge? Ach was, die Papiere sind ja ok, wenn das dem Hotelier nicht gefällt, soll er ihn persönlich anrufen. Ich glaube, herauszuhören, dass die beiden sich kennen, und diese Bekanntschaft nicht unbedingt freundschaftliche Wurzeln geschlagen hat. Also wieder auf den Weg zurück. Aber halt, im gleichen Gebäude wie die Polizei ist ja auch noch ein Hotel. Da kann man ja mal kurz gucken. Das sieht ja auch alles ganz anständig aus, kostet 200 SP weniger pro Nacht, das Klo ist sauber, die Polizei ist gleich in Reichweite, nur einen Balkon hat es hier nicht. Aber der ist nun auch nicht so essenziell.
Zurück im vorigen Hotel bemühe ich mich sehr, ein fürchterlich betrübtes Gesicht zu machen, während mein Mann dem Hotelier erzählt, dass der Polizist uns keinen Stempel geben konnte, weil die Papiere ohne behördliche Bescheinigung so nicht ok seien, und wir dann eben bei Bekannten unterkommen müssten. Ich bin gespannt, was bei dem Hotelier überwiegt, der Wunsch nach ordentlichen Papieren, oder der Wunsch, zahlende Kunden zu behalten. Er lässt uns denn aber tatsächlich ziehen, ohne irgendwelche Tricks zu erfinden, warum wir doch bleiben können. Ich glaube ja sowieso, dass er uns nicht da haben wollte. Ob er nun keine Ausländer mag, oder keine Christen, oder einfach nur unsere Nasen nicht, aber irgendwas mochte er jedenfalls nicht. Mir wurscht, wir ziehen ins andere Hotel, legen endlich unsere Füße hoch und entspannen uns ein bisschen. Mehr als ein halbes Stündchen ist uns leider nicht vergönnt, dann stehen die ersten Verwandtschafts-Kaffeetrink-Besuche an, denen man nicht entgehen kann...
Die Aleppo-Ennealogie
Aleppo. Die Touri-Tour II
Aleppinische Taxen
Aleppo. Die Touri-Tour I
Eine syrische Braut II
Eine syrische Braut I
Ein merkwürdiger Besuch
Aleppinische Wasserspiele
Eine Zugfahrt, die ist lustig
Das bizzelt
Aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaahhhhhhhhhhhhhhhh!
Wasser hilft natürlich überhaupt nicht und so versuche ich mich erst mit einer Anti-Sonnenbrandcreme, weil mir grad nichts besseres einfällt, aber auch das lindert das Brennen mitten in meinem Gesicht kein bisschen. Als nächstes kommt Olivenöl dran, Schärfe ist ja fettlöslich und nicht wasserlöslich, das ist mir inzwischen wieder eingefallen. Es wird zwar besser aber nur marginal. Die nächsten Viertelstunde habe ich also Olivenöl unter der Nase und presse außerdem einen in ein Küchentuch gewickelten Eiswürfel gegen den Brandherd. Mein einziger Trost ist, dass es, wenn es erstmal vorüber ist, eine gute Anekdote abgeben wird. Anekdoten zeichnen sich ja oftmals dadurch aus, dass sie zum Zeitpunkt des Entstehens überhaupt nicht lustig waren. Mein Mann tröstet mich, indem er mich daran erinnert, dass es noch ungünstigere Stellen gegeben hätte, sich zu kratzen. Das sei ihm als kleiner Junge tatsächlich mal passiert, als er der Mutter in der Küche geholfen hat, Paprikapaste herzustellen und dann auf Toilette gehen musste. Noch so eine Anekdote, die er an jenem Tage bestimmt alles andere als lustig gefunden hatte...
Es ging dann irgendwann wieder, aber die restlichen Paprika werde ich behandeln, als wären sie biologische Kampfstoffe, mit Handschuhen und Schutzbrille!
Freitag, 24. September 2010
Das Wort zum Freitag (24.09.)
The genius of you Americans is that you never make clear-cut stupid moves, only complicated stupid moves which make the rest of us wonder at the possibility that we might be missing something.via Brainy Quote
Gamal Abdel Nasser
Aleppinische Wasserspiele
Die Aleppo-Ennealogie
Aleppo. Die Touri-Tour II
Aleppinische Taxen
Aleppo. Die Touri-Tour I
Eine syrische Braut II
Eine syrische Braut I
Ein merkwürdiger Besuch
Auf Hotelsuche
Eine Zugfahrt, die ist lustig
Bindest du noch oder OB'st du schon?
Es ist ja nicht so, dass OB's in diesem Teil der Welt völlig unbekannt wären. Es will eben nur niemand sie benutzen. Dabei ist die teilweise durchaus als verklemmt zu bezeichnende Haltung zum eigenen Körper, die es nicht erlaubt, einen Finger in diese tabubelegte Region zu bringen (ich habe nicht darauf geachtet, ob es auch Einführhilfen zu kaufen gibt), nur das geringere Problem. Die weitaus größere Problematik liegt in der weitverbreiteten Erwartung von Jungfräulichkeit, die noch immer durch einen Blutfleck auf dem Laken in der Hochzeitsnacht erwiesen werden muss. Da muss notfalls auch nochmal der Doktor mit Nadel und Faden nachhelfen. Ein Tampon könnte nun dieses bedeutungsschwangere Stückchen Haut ja durchaus verletzen. Wie wir (also die Bravo-Generation) ja schon lange wissen, kann das Jungfernhäutchen durch alles mögliche einem frühzeitigen Ableben frönen, ohne dass irgendeine "Unzüchtigkeit" begangen werden müsste. Aber das wiederum einem Mann begreiflich zu machen, der Blut sehen will, das steht auf einem anderen Stück Papier. Ein jungfräuliches Fräulein wird sich also fein hüten, etwas anderes als Binden zu benutzen. Dementsprechend wird sich aber jedes Fräulein hüten, denn ein Tamponkauf käme in diesem Sinne ja dem Ausruf gleich: "Sieh her, ich muss mir keine Gedanken um mein Hymen machen, ich bin schon längst keine Jungfrau mehr!". Und wer würde das schon Onkel Ahmed* anvertrauen wollen? Die Zielgruppe meines Tampon-Imports wären also nur noch verheiratete Mütter, und die dürften sich in ihren jungen Jahren schon so an die Binde gewöhnt haben, dass die Nachfrage auch dort gering sein dürfte.
Ich schätze, ich brauche eine neue Geschäftsidee... vielleicht einen Glühwein- (alkoholfrei) und Brat- (Rinds-)Wurststand im Winter?
*arabisches Gegenstück zu Tante Emma
So lala
"Selbst eine Blinde mit üppigen Backen und schwellendem Busen ist tausendmal besser als eine Dürre, platt wie ein Brett aber mit geschminkten Augen."
Nagib Machfus: "Zwischen den Palästen", Unionsverlag Zürich 1996, S.334
Donnerstag, 23. September 2010
Gute Nachricht
Jabba-dabba-du!
Zwar relativ haarscharf, aber das ist schon ok, wenn man bedenkt, dass der Fehlschuss in einem Teil durch überdurchschnittliche Ergebnisse in allen drei anderen wieder ausgeglichen ist. Ein Gebirge fällt uns vom Herzen. Das dringend benötigte Zertifikat geschafft, keine beiderseitig nervenraubenden Deutschstunden mehr und Zeit für alles andere, was noch auf der To-Do-Liste verbleibt.
Das tröstet über Tee und Zwieback hinweg :)
Schlechte Nachricht
Ich geh mich dann mal ein bisschen selbst bemitleiden, bis denne...
Mittwoch, 22. September 2010
Eine Zugfahrt, die ist lustig
Um Mitternacht stehen wir also wieder am Bahnhof und versuchen, herauszufinden, wo unser Wagon ist. Da ist sehr unterhaltsam, denn mit der ausländisch aussehenden Frau an seiner Seite fällt auch mein Mann sofort in die Gedankenschublade "Ausländer" und wenn er, auf Englisch oder auf Baby-Arabisch angesprochen, darauf hinweist, dass er Syrer ist, gucken die Leute wie ein Bauklotz und glauben es kaum. EIn witziges Schauspiel, dass sich noch vielfach wiederholen wird. Ein Mann schickt uns dann ganz ans Ende des Zuges, aber dort ist, mal abgesehen vom Fahrerwagon, nichts. Auf Nachfrage werden wir diesmal wieder ans Ende des Zuges geschickt, nur eben an das andere. Der Zug ist nicht eben kurz und wir schleppen doch ein paar Gepäckstücke mit uns herum, mein Stimmungsbarometer steht auf leicht gereizt. Man kann mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass Wegweiser Nummer eins genau wusste, dass er nicht genau weiß, wo wir hinmüssen. Aber bevor er das je zugeben würde, schickt er uns lieber irgendwo hin, vielleicht stimmt's ja. Irgendwann finden wir aber unser Zimmerchen, zwei Betten, eins über dem anderen, ein Schrank, eine Ablage, spartanisch aber zweckdienlich.
Die Fahrt beginnt pünktlich. Ich habe mich auf der unteren Pritsche niedergelassen und meinen Mann, der stets beteuerte, ihm sei das völlig gleich, ob er unten oder oben schläft, direkt unter die Klimaanlage verbannt. Später wird er sich darüber beklagen, und vielleicht ist die Klimaanlage auch die Ursache seiner Erkältung, die er gerade mit sich herumträgt, aber er hätte ja nur mal was sagen brauchen und wir hätten getauscht, mir kann so eine Klimaanlage nix anhaben. Nee, lieber erst schweigen und dann krank werden. Männer. Der Zug aber ist schon längst krank, scheinbar chronischer Schluckauf. Das Geruckel macht jedenfalls keinen gesunden Eindruck. Alle halbe Stunde oder so bleibt er stehen, mal nur für ein paar Sekunden, mal mehrere Minuten, dann fährt er mühsam wieder an, ruckelt dabei eifrig hin und her, so dass ich immer fürchte, dass er gleich von den Gleisen kippt. Schon jetzt steht fest: auf der Rückfahrt wird das Verkehrsmittel gewechselt (wir werden schließlich mit dem Bus fahren, das geht schneller und ruckelfreier). Anfangs schaue ich noch in die Sterne hinaus, und - nein! - ich sehe tatsächlich eine Sternschnuppe. Schnell was wünschen! Diese Kombination Fernzug - Fremde - Schlafwagen - Nacht - Sternschnuppe löst ein eigenartiges Gefühl aus, nicht romantisch oder so, eher so eine Ahnung, als wäre dies der optimale Augenblick, um eine geniale Inspiration zu haben, die in einen Jahrhundertroman mündet. Vielleicht hat Virginia Woolf mal so eine Fahrt gemacht. Aber ich bin kein Jahrhundertschriftsteller und so bleibt es bei diesem Blogeintrag. Über solchen Gedanken schlafe ich ein und auch wenn es ein erschöpfender, durchgerüttelter Halbschlaf ist, wache ich erst wieder um sechs Uhr richtig auf, als der Schaffner an die Tür klopft, um uns vor der Ankunft zu wecken. Es dauert dann doch noch bis sieben, bis wir wirklich da sind. In der Zwischenzeit stehe ich mit einer Zigarette am Fenster und blinzele in den Morgen. Ein alter Wagen mit bäuerlich gekleideten Frauen zuckelt in einiger Entfernung über die Klippen. Mein Mann setzt dem Saudi (sieht zumindest der Kleidung nach so aus) aus der Nebenkabine wiederum auseinander, dass er kein Ausländer ist und Arabisch sprechen kann. Später neugieriges Getuschel: Der spricht Englisch mit der Frau. Und die Frau raucht. Ja, er selbst ja auch, aber wenn Frauen rauchen ist das offenbar irgendwie obszön. Ich komme mir ein bisschen vor wie ein Paradiesvogel, dabei bin ich höchst dezent und bedeckt gekleidet. Schon in Damaskus bin ich immer "irgendwie anders", aber die Damaszener sind ja noch am ehesten "kosmopolit" in diesem Land. Zum Glück geht es nach Aleppo, noch immer eine Großstadt, wenn auch wesentlich konservativer, und nicht in irgendein verschlafenes dörfliches Nest.
Gedankenunterbrechung: wir sind da! Alle aussteigen!
Die Aleppo-Ennealogie
Aleppo. Die Touri-Tour II
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Donnerstag, 16. September 2010
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Mittwoch, 15. September 2010
Die hohe Kunst des Narjile-Rauchens
Das Narjile-Rauchen aber, das ist eine hochkomplizierte Angelegenheit, man müsste Ausbildungen dafür anbieten, zehn Jahre, so wie angeblich für's Kugelfisch-Zubereiten (wobei die Narjile eventuell weniger gefährlich ist). Ich selbst bin da noch blutiger Laie. Dennoch sei hier alles, von dem ich weiß, dass man es beachten muss, erwähnt.
Die Narjile selbst besteht aus einem vasenartigen Glasgefäß, einem Aufsatz mit Rohr, in das oben der 'Kopf', der tönerne Tabakbehälter aufgesetzt wird. Darum befindet sich noch eine Aschen-Auffangschale, man kann außerdem einen Windschutz über den 'Kopf' stülpen bei Bedarf. Seitlich des Rohrs befindet sich eine Öffnung in die der Schlauch gesteckt wird, an dessen Ende sich das Mundstück befindet. Narjiles gibt es in kleinen, großen, schlichten, prunkvollen, sprich allen möglichen Ausführungen zu kaufen. Es gibt auch Gemeinschafts-Narjiles, in die mehrere Schläuche hineinpassen. Wie man beim Narjile-Kauf Qualitätsunterschiede erkennt und welche Eigenschaften sich überhaupt positiv oder negativ auf das Rauchen an sich auswirken weiß ich nicht, da müsste man sich mal vom Profi beraten lassen. Narjile ist übrigens hocharabisch, oft wird sie in Syrien auch "Argile" genannt.
Will man nun der Narjile-Schmaucherei frönen, braucht man als nächstes Tabak, hier "Mu'assal" (Honig) genannt. DIe klassische Geschmacksrichtung ist Doppelapfel. Warum doppelt? Marketingstrategie würde ich sagen. Ein Markt ist ja auch nicht einfach ein Markt, sondern stets ein Supermarkt. Und der Apfeltabak ist eben immer Doppelapfeltabak ("Tuffahatain"). Aber es gibt alle erdenklichen Geschmacksrichtungen, Traube, Kirsche, Multifrucht, Kaugummi etc. Nach einigem Rumprobieren bin ich dann doch immer wieder zum zweifachen Apfel zurückgekehrt (das ist außerdem auch der Günstigste..). Der Tabak ist klebrig-nass, und darf meines Wissens wegen seiner hohen Feuchtigkeit so nicht in Deutschland eingeführt werden, weshalb es dort extra Feuchtigkeitsmittel zu kaufen gibt, um das wieder auszugleichen. Den Tabak lockert man mit den Fingern auf und gibt ihn in den 'Kopf'. Ein flacher Kopf, soviel steht aus Erfahrung fest, produziert mehr Rauch und braucht weniger Feuer, kratzt dafür aber auch mehr im Hals, eine der unangenehmen Begleiterscheinungen, die es durch kunstvolle Narjile-Zubereitung zu umgehen gilt. Ein tieferer Kopf produziert weniger dichten Rauch und man muss stärker ziehen, dafür kratzt es eben weniger. Ich habe mich für diese Variante entschieden. Der Tabak wird dann in seinem Gefängnis, in dem sein Verbrennungsschicksal schon feststeht, mittels Alufolie eingesperrt. Es gibt zurechtgeschnittene Stücke zu kaufen, aber das kann man natürlich auch selbst machen. Wichtig ist, dass die Folie seitlich gut angedrückt wird und keine Luft von der Seite eindringen kann. Die Folie wird dann mit einer Nadel eingestochen, viele kleine Löchlein, in die Mitte kommt nur ein etwas größeres Loch und drumherum bleibt ein kleiner Radius frei. So soll verhindert werden, dass der Tabak zu heiß wird und zu schnell verbrennt. Entweder hat man nun eine Plastikdichtung oder man wickelt ein Stück nasses Papiertaschentuch um den unteren Teil des 'Kopfes', so kann man ihn lückenlos in die Narjile stecken und es kommt auch von dort keine Luft in das Gebilde. Ebenso müssen das Rohr auf dem Glasgefäß und der Schlauch am Rohr befestigt werden. Das Glasgefäß füllt man vor dem Zusammenbau mit frischem Wasser, etwa bis zur Verengung des Halses hin. Manch einer schüttet auch noch Raki dazu, das ergibt einen sehr speziellen Geschmack, aber auch sehr spezielle Kopfschmerzen. Den Schlauch spült man zunächst mit Wasser durch. Die Syrer machen das eher nicht so, die benutzen das gleiche Wasser und den ungeputzten Schlauch wochenlang, aber ich finde, die Narjile schmeckt besser, wenn man das alles sauber hält. Dann bekommt man auch nicht aus Versehen Tabak-oder Aschekrümel in die Luftwege.
Die Narjile ist jetzt fertig vorbereitet, was noch fehlt ist die Kohle. In Deutschland gibt es so Kohle-Plättchen zu kaufen, die man auf den Tabakkopf legen kann, aber die fand ich schon immer unpraktisch. Brennen schlecht, obwohl sie gerade das besser können sollen, und lassen die Mitte nicht frei. Hier in Syrien gibt es Kohle immer in Päckchen mit fünf oder sechs Riegeln für fünfzehn bis zwanzig Pfund zu kaufen. Einen Riegel legt man auf den Gaskocher bis er ordentlich glüht, ein oder zwei weitere werden nur kurz von der Flamme geküsst, die glühen sich mit der Zeit (also bis man sie braucht) schon selbst durch. Mit einer Zange befördert man die Kohle in ein geeignetes Gefäß (Zange und geeignete Metallschale gibt es meist mit der Narjile zu kaufen) und stellt diese neben die Narjile. Das glühende Kohlestück wird in etwa drei Stücke geteit (wenn man draußen raucht, ist auf-den-Boden-fallen-lassen eine einfache und übliche Variante) und diese Stücke auf den Tabakkopf gelegt, dabei wird die Mitte ausgespart, dort soll nichts brennen. Nach ein paar Mal kräftig ansaugen (für Gemeinschaftsnarjiles gibt es übrigens auch hygienische Einwegmundstücke) sollte die Narjile jetzt gut funktionieren. Wenn sie zu stark ist, kann man ein Kohlestück vorläufig wieder runternehmen. Die optimale Kohlemenge- und Verteilung ist eines dieser Rätsel, das man vermutlich erst im siebten Ausbildungsjahr lösen kann. Jedenfalls wird man immer wieder beschäftigt sein, die Kohle von der Asche zu befreien und neue Kohle aufzulegen.
Eine unangenehme Eigenschaft der Narjile neben kratzigen Hälsen ist es, dass sie manchmal Kopfschmerzen und Schwindel hervorrufen kann, mitunter sogar recht heftige Schwindelanfälle. Woran das liegt weiß ich nicht, es passiert auch nicht allzu oft. In diesem Falle sollte man natürlich sofort die Narjile stehen lassen und sich selbst eine Weile hinlegen, dann geht es für gewöhnlich nach einigen Minuten von ganz allein besser. Die Narjile bleibt für diesen Abend natürlich unberührt! Wenn man, wie ich neulich, leichten Schwindel einfach ignoriert (man sitzt ja grad, es stört ja nicht...) und munter weiterraucht, dann wird man für solch eine Dummheit natürlich auch gebührend bestraft: starker Schwindel, Kopfschmerzen, dröhnendes Ohrensausen. Pfui.
Aber mit diesen letzten Zeilen sei niemand abgehalten, den Rauch zu genießen und das eigene sowie anderer Leute Gesicht mit obstduftigen Nebelschwaden verzieren, ganz wie die blaue Raupe Absolem in Alice im Wunderland.
Dienstag, 14. September 2010
Ramadan III
كل عام و أنتم بخير
Nun ist er wieder vorbei, der Ramadan. Groß nach draußen gekommen, um mir das nächtliche Treiben anzuschauen bin ich nicht, stattdessen sitze ich zu Hause und ergehe mich in Sprachverwirrungen. Am ersten Tag des Id al-Fitr sind wir dann aber doch mal raus und durch den Suq Hamidiye in Richtung der Omayyadenmoschee geschlendert. Der Suq an sich ist geschlossen, ist ja schließlich Feiertag, das größte Fest des Jahres, aber für die Gattung "gemeiner Schwarzmarkthändler" ist ein Feiertag eine unschätzbare Mehreinkommensquelle und so spazieren wir vorbei an geschlossenen Ladentüren und zugleich an den reichsten Auslagen von Schmuck, Socken, Unterwäsche, Schuhen, arabischen Musikinstrumenten und was nicht noch alles. Bei der Gelegenheit wird dann mein nächstes Paar Schuhe fällig, nachdem das jüngst erworbene Paar wohl etwas nachlässig zusammengeschustert wurde und schon den Weg in die ewigen Jagdgründe angetreten hat. Diesmal für stolze 75 SP, das wird wohl auch nicht länger halten, aber bei den Preisen kann man die Schuhe ja auch alle paar Tage wechseln. Auch auf dem Platz vor der Moschee tummeln sich noch die Stände, ich gönne mir noch einen Erdbeerdrink und dann geht es durch die Altstadt zurück. Eine Gruppe volkstümlich gekleideter Männer, jeder ein Musikinstrument unter den Arm geklemmt, kommt an uns vorbei, solche Musikergruppen kann man engagieren, um bei besonderen Gelegenheiten aufzuspielen, und vermutlich sind sie während des Festes gut gebucht. Ansonsten gibt es nicht viel Feierliches auf den Straßen zu sehen, das Fastenbrechenfest ist ein recht privates Fest, bei dem die Familien sich besuchen, beschenken und essen, bis der Magen den vorangegangenen Monat verzeiht. Mangels muslimischer Bekannter oder Verwandter fehlt mir der Einblick ins Innere.
Das Fest geht drei Tage, von Freitag bis Sonntag, dann sollte man meinen, ist es vorbei, aber erst am Montag zeigt sich das Fest auch den Nicht-Muslimen lautstark, mit lautem Feuerwerk nach Einbruch der Dunkelheit, vergleichbar unserem Silvester. Diese Angewohnheit sollen sich die Muslime, ebenso wie den Lichterketten-Fassadenschmuck, in den letzten Jahren von den Christen abgeguckt haben. Nun ist es aber endlich ruhig draußen geworden (Lärm und Böllergeruch macht Kopfschmerzen). Dann bis zum nächsten Ramadan! Aber erstmal gibt's dann ja noch das Opferfest, und all die christlichen Feiertage. Man müsste allen Religionen zugehören, dann hätte man immer was zu feiern!